1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die §§ 7 und 23 MuSchG – Freistellungsanspruch und Entgeltanspruch – sollen sicherstellen, dass die Schwangere die ihr zustehende ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe tatsächlich wahrnehmen kann und sich davon auch nicht durch drohende wirtschaftliche Nachteile abhalten lässt. In gleicher Weise soll die Mutter die faktische und wirtschaftlich abgesicherte Möglichkeit haben, ihren Säugling zu stillen. Durch beide Regelungen soll die Gesundheit der – schwangeren oder stillenden – Frauen und ihrer Kinder geschützt werden.

 

Rz. 2

Mit dem Freistellungsanspruch für Untersuchungen (§ 7 Abs. 1) wird Art. 9 der Mutterschutz-Richtlinie 92/85/EWG[1] in deutsches Recht umgesetzt. Diese Richtlinie ist daher bei der Auslegung des § 7 Abs. 1 zu beachten. Für die Auslegung des § 7 Abs. 2 hat die Richtlinie hingegen keine Bedeutung: Die Mutterschutz-Richtlinie trifft zwar auch Regelungen für stillende Arbeitnehmerinnen, verlangt jedoch nicht die Gewährung bezahlter Freistellung von der Arbeit.

Nach Art. 8 der Europäischen Sozialcharta ist sicherzustellen, dass Mütter, die ihre Kinder stillen, für diesen Zweck Anspruch auf ausreichende Arbeitsunterbrechungen haben. Dies ist mit der Regelung des § 7 Abs. 2 gewährleistet. § 7 Abs. 2 genügt zugleich den Anforderungen der Übereinkommen der IAO zum Mutterschutz (Nr. 3, 103 und 183), wonach stillenden Müttern Stillpausen oder eine tägliche Arbeitszeitverkürzung unter Anrechnung auf die Arbeitszeit zu gewähren ist und das nationale Recht Regeln über die Höchstdauer und Anzahl und Dauer der Stillpausen festzulegen hat.

[1] Richtlinie 92/85/EWG des Rates v. 19.10.1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (10. Einzelrichtlinie i. S. d. Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG).

2 Freistellung für Untersuchungen

2.1 Persönlicher Geltungsbereich

 

Rz. 3

Der Freistellungsanspruch des § 7 Abs. 1 steht "Frauen" gegenüber ihren "Arbeitgebern" zu. Der Begriff "Arbeitgeber" ist entsprechend § 2 Abs. 1 und 2 MuSchG auszulegen. Insbesondere ist der Freistellungsanspruch nicht auf Arbeitsverhältnisse beschränkt, sondern gilt gleichermaßen für die weiteren in § 1 Abs. 2 MuSchG genannten Rechtsverhältnisse.[1] Über den Wortlaut der Definition hinaus haben allerdings nicht nur Frauen, die tatsächlich schwanger sind, Anspruch auf Freistellung für die erforderlichen Untersuchungen. Der Gesetzeszweck erfordert vielmehr die entsprechende Anwendung auf Frauen, die durch einen Arzt oder eine Hebamme abklären lassen möchten, ob sie schwanger sind, auch wenn sich dabei herausstellt, dass keine Schwangerschaft besteht.[2] Hingegen ist § 7 Abs. 1 nicht anwendbar bei Maßnahmen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung oder einer Abtreibung, durch die die Schwangerschaft erst herbeigeführt bzw. beendet werden soll – hier greift ggf. das EFZG.

 

Rz. 4

Der Freistellungsanspruch ist unabhängig davon, ob die Frau Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Auch privat oder nicht krankenversicherte Frauen können den Anspruch geltend machen. Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 genannten "Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung" beschreiben lediglich den Umfang der Untersuchungen, für die die Freistellung zu gewähren ist.

[2] Brose/Weth/Volk, MuSchG/BEEG, § 7 MuSchG, Rz. 2.

2.2 Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs

 

Rz. 5

Die Frau kann nicht einfach der Arbeit fernbleiben, um die Untersuchung durchführen zu lassen, sondern muss sich vorab beim Arbeitgeber abmelden und dabei auf den Freistellungsgrund des § 7 Abs. 1 Bezug nehmen. Hieraus folgt, dass sie den Arbeitgeber über die Schwangerschaft bzw. über ihre Vermutung einer Schwangerschaft informieren muss. Die Information soll so frühzeitig erfolgen, dass der Betriebsablauf möglichst wenig gestört wird bzw. der Arbeitgeber Gelegenheit hat, die für die Sicherstellung eines geordneten Betriebsablaufs nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Das Gesetz sieht keine bestimmte Form vor, sodass die Abmeldung auch mündlich, per E-Mail oder WhatsApp o. Ä. erfolgen kann. Die Erklärung muss dem Arbeitgeber bzw. dessen Vertreter zugehen. Dies muss kein Mitarbeiter der Personalverwaltung sein. Vielmehr genügt der unmittelbare Vorgesetzte, der die Arbeit einteilt.

 

Rz. 6

Eine Genehmigung seitens des Arbeitgebers ist entgegen der h. M.[1] nicht erforderlich. Falls der Arbeitgeber die Genehmigung zu Unrecht verweigert, könnte die Arbeitnehmerin nämlich andernfalls ihren Anspruch faktisch kaum verwirklichen.[2] Der Gesetzeswortlaut, der von dem des § 7 Abs. 2 BUrlG, § 629 BGB abweicht, verlangt keine Genehmigung oder Gewährung. Auch die Interessenlage ist anders als bei der Urlaubsgewährung: So lässt sich die Erforderlichkeit der Untersuchung innerhalb eines bestimmten Zeitfensters regelmäßig objektiv feststellen. Es erscheint daher vorzugswürdig – wie bei einem Arztbesuch im Rahmen des § 616 BGB[3] – auf das Erfordernis der arbeitgeberseitigen Genehmigung als zusätzliche Voraussetzung zu verzichten. Stimmt der Arbeitgeber ...

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