Rz. 26

In den letzten 6 Wochen vor dem errechneten und bestimmten Entbindungstermin greift das Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1. Dieses Verbot ist rein an den Kalender gekoppelt und soll die bevorstehende Entbindung und deren Vorbereitung erleichtern. Je nach individueller Konstitution kann die werdende Mutter auch in den letzten 6 Wochen der Arbeitsleistung nachkommen, sofern sie sich persönlich dazu in der Lage sieht. Dieses Beschäftigungsverbot ist daher dispositiv und von der persönlichen Erklärung der Schwangeren abhängig.

Der Verzicht auf das generelle vorgeburtliche Beschäftigungsverbot muss gegenüber dem Arbeitgeber erklärt werden. Dem Wortlaut, "soweit sie sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt", ist zu entnehmen, dass sich das Dispositionsrecht auch auf die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses bezieht und etwa eine Weiterbeschäftigung mit reduzierter Arbeitszeit oder mit abgeänderten Inhalten in Betracht kommen kann. Die Ausübung des Dispositionsrechtes und eine mögliche Anpassung der konkreten Arbeitsleistung kann erklärt und mit dem Arbeitgeber geregelt werden, ohne dass es eine Arbeitsvertragsänderung nach sich ziehen würde.

Auch das Wiederaufleben der vertraglichen Beschäftigung nach § 25 MuSchG nach Ende des Beschäftigungsverbotes umfasst nicht diese veränderte temporäre Arbeitsleistung, die lediglich das ansonsten bestehende generelle Beschäftigungsverbot durch einen milderen Eingriff ändert.

Es bedarf jedoch einer ausdrücklichen Erklärung, die sie jederzeit widerrufen kann. Dabei sind hier die allgemeinen Vorgaben für Willenserklärungen im Arbeitsvertragsrecht anzuwenden.[1] Es bedarf einer entsprechenden, vom freien Willen getragenen Erklärung, die frei von Irrtum oder Drohungen abgegeben wird. Vor allem darf der Arbeitgeber keine Versprechungen, Prämien oder Sanktionen in Aussicht stellen, um die Abgabe der Willenserklärung zu beeinflussen. Der Arbeitgeber kann entsprechend vorformulierte Erklärungen vorlegen, die aber dann als Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305, 310 BGB gewertet werden. Das Dispositionsrecht steht ausschließlich der betroffenen Frau zu. Die Erklärung ist weder an eine Frist noch an eine bestimmte Form gebunden. Der Gesetzeswortlaut verlangt allerdings eine ausdrückliche Erklärung der Bereitschaft zur Weiterarbeit. Ein stillschweigend oder konkludent erklärter Verzicht – etwa durch einfaches Weiterarbeiten – reicht damit nicht aus.[2]

 
Praxis-Tipp

Bereitschaft zur Arbeitsleistung klar dokumentieren

Die Bereitschaft der Schwangeren zur ausdrücklichen Fortsetzung der Arbeitsleistung in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung soll

  • schriftlich (aus Beweisgründen),
  • ausdrücklich (mit Angabe von Daten des Entbindungstermins und der Erklärung sowie zum Arbeitsplatz und der konkreten Tätigkeit),
  • konkret (Ort und Datum der Erklärung, Angaben zur Person),
  • ausführlich (die Erklärung soll beinhalten, dass keine Empfehlungen des Arztes oder der Hebamme entgegenstehen),
  • selbst (das Recht zur Fortsetzungserklärung steht ausschließlich der Schwangeren selbst zu[3]

erklärt werden. Die Erklärung muss beim Arbeitgeber eingehen, er muss von ihr positive Kenntnis erlangen. Eine Erklärung gegenüber dem Betriebsrat oder dem Werksarzt ist nicht ausreichend, sie muss gegenüber der Stelle erfolgen, die das Direktionsrecht aus dem Arbeitsvertrag wahrnimmt, also auch berechtigt ist, Abmahnungen oder Kündigungen auszusprechen.

Arbeitgeber und Schwangere können sich auch einvernehmlich auf eine "risikoärmere" Umgestaltung der Fortsetzungstätigkeit einigen. Das Dispositionsrecht umfasst die gesamte Tätigkeit. Dies ergibt sich aus dem in § 10 Abs. 2 MuSchG formulierten Rechtsgedanken, dass weitere Anpassungen der Arbeitsbedingungen in einem Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin anzubieten sind.

Der Arbeitgeber hat ein eigenes Interesse daran, die Erklärung zu dokumentieren, denn die Weiterbeschäftigung innerhalb der Schutzfrist ist nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG eine sanktionierte Ordnungswidrigkeit.

Minderjährige bedürfen für die Verzichtserklärung der Einwilligung (§ 107 BGB) des gesetzlichen Vertreters, denn diese Erklärung stellt ein einseitiges Rechtsgeschäft i. S. d. § 111 Satz 1 BGB dar.[4]

 

Rz. 27

Im Fall der Weiterbeschäftigung nach § 3 Abs. 1 bleibt die Pflicht zur Zahlung des arbeitsvertraglichen Entgelts erhalten, da der Arbeitsvertrag als solcher ja fortgesetzt wird und vergütungspflichtige Arbeitsleistung erbracht wird. Der Mutterschutzlohn oder auch Entgeltfortzahlungsansprüche sind nachrangig.

Den Arbeitgeber trifft – wenn die Frau sich zur Arbeitsleistung bereit erklärt – dann im Umkehrschluss auch eine Beschäftigungspflicht, um nicht in Annahmeverzug zu geraten oder die angebotene Arbeitsleistung willkürlich abzulehnen.[5] Die vorgeburtliche Schutzfrist dient allein dem Schutz der Schwangeren und nicht des Arbeitgebers, daher hat die Schwangere das alleinige Dispositionsrecht, um zu erkennen, ob die tatsächliche Belastung und Gefährdung aus der vertragli...

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