1 Einführung

1.1 Rechtsentwicklung und rechtspolitische Bewertung

 

Rz. 1

Seit 1952 zahlte die Krankenkasse den gesetzlich versicherten Frauen während der Schutzfristen vor und nach der Geburt ein Wochengeld in Höhe des Durchschnittsverdienstes des vergangenen Quartals. Die übrigen, d. h. nicht pflichtversicherten Frauen hatten einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Weitergewährung des regelmäßigen Arbeitsentgelts. Hiervon waren Frauen, die im Haushalt mit hauswirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt wurden, sowie geringfügig beschäftigte Frauen ausgenommen. Für die Zeit ab 1.1.1966 war geplant, dass der Bund – unabhängig von der Mitgliedschaft der Frau in der gesetzlichen Krankenversicherung – während der Schutzfristen ein Mutterschaftsgeld in Höhe des bisherigen Durchschnittsverdienstes zahlen sollte. Diese Gesetzesfassung trat jedoch wegen der finanziellen Belastung letztlich nicht in Kraft. Stattdessen wird seit 1.1.1968 sowohl das – von den Krankenkassen und dem Bund finanzierte – Mutterschaftsgeld als auch der – von den Arbeitgebern finanzierte – Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gezahlt. Das Mutterschaftsgeld war bereits damals auf 25 DM kalendertäglich beschränkt. Da es seither nicht angehoben wurde, ist der prozentuale Anteil des Mutterschaftsgeldes am Gesamtbetrag bis heute massiv gesunken.

 

Rz. 2

Das BVerfG stellte mit Beschluss v. 18.11.2003[1] fest, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld in ihrer damaligen Ausgestaltung verfassungswidrig sei, weil sie entgegen Art. 3 Abs. 2 GG einer Diskriminierung von Frauen im Arbeitsleben Vorschub leiste. Diese Entscheidung führte zur Verabschiedung des Aufwendungsausgleichsgesetzes (AAG), wonach die Krankenkassen den Arbeitgebern den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in vollem Umfang erstatten. Die Erstattung wird durch eine Umlage der Arbeitgeber finanziert.[2]

 

Rz. 3

Angesichts der geringen Höhe des Mutterschaftsgeldes von 13 EUR kalendertäglich erscheint die unterschiedliche Regelung zum Arbeitsentgelt während der Beschäftigungsverbote (§ 18 MuSchG) und der Schutzfristen (§ 20) nicht mehr sinnvoll. Das Interesse der Frau an wirtschaftlicher Absicherung ist in beiden Fällen ebenso identisch wie der Umstand, dass sowohl der Mutterschutzlohn als auch der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld von den Arbeitgebern im Umlageverfahren finanziert werden. Dennoch müssen zweierlei – teilweise aufwändige – Berechnungen durchgeführt und umgesetzt werden. Darüber hinaus ist zu fragen, ob die wirtschaftliche Absicherung der werdenden und jungen Mütter wirklich primär Sache der Arbeitgeber ist oder ob es sich vielmehr um eine staatliche Aufgabe handelt mit der Folge, dass der Staat sich in größerem Umfang an der Finanzierung beteiligen müsste.[3]

[1] 1 BvR 302/96, NZA 2004, 33.
[2] S. auch Buchner, NZA 2006, 121.
[3] Vgl. Jorkowski, ZTR 2003, S. 275, 278. Der Beitrag des Staates liegt derzeit im Verzicht auf die Steuerbarkeit des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld. Zudem erhalten die Krankenkassen pauschale Ausgleichszahlungen des Bundes für ihre Aufwendungen für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, § 221 SGB V.

1.2 Überblick und Systematik

 

Rz. 4

§ 20 will für die Dauer der dem Gesundheitsschutz dienenden Beschäftigungsverbote vor und nach der Entbindung die im Arbeitsverhältnis stehenden Frauen vor wirtschaftlichen Nachteilen bewahren: Ihr Netto-Arbeitsverdienst soll sich durch die schwangerschaftsbedingten Arbeitsausfälle nicht vermindern. Damit soll zugleich jeder Anreiz entfallen, dass die Frau entgegen den gesetzlichen Verboten die Arbeit zu ihrem und des Kindes Schaden fortsetzt.[1]

 

Rz. 5

§ 20 ist im Zusammenhang mit den §§ 18 und 19 MuSchG zu lesen: Nach § 18 MuSchG erhält die Frau für die Zeit der Beschäftigungsverbote außerhalb der Schutzfristen Mutterschutzlohn vom Arbeitgeber, der an ihr bisheriges Bruttoeinkommen anknüpft und wie dieses der Lohnsteuer und Sozialversicherung unterliegt. Für die Zeit der Schutzfristen nach § 3 MuSchG steht der Frau hingegen regelmäßig ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld gegen die Krankenkasse bzw. den Bund zu (§ 19 MuSchG, § 24i SGB V bzw. § 14 KVLG). Das Mutterschaftsgeld beträgt höchstens 13 EUR pro Kalendertag (§ 24i Abs. 2 Satz 2 SGB V). Ist der Bund zahlungsverpflichtet, ist der Anspruch sogar auf 210 EUR insgesamt beschränkt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 MuSchG). Sofern das durchschnittliche Nettoentgelt der Frau im Referenzzeitraum mehr als 13 EUR kalendertäglich beträgt, hat der Arbeitgeber die (Netto-)Differenz als Zuschuss zu zahlen. § 20 Abs. 1 begründet somit für die Zeit der Schutzfristen einen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags zum durchschnittlichen Nettoentgelt der letzten 3 abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist.[2]

 

Rz. 6

§ 20 Abs. 2 regelt die Berechnung des Arbeitgeberzuschusses, wenn die Frau für mehrere Arbeitgeber tätig ist, dazu Rz. 32 f.

§ 20 Abs. 3 bestimmt die für die Zahlung des Mutterschaftsgelds zuständige Stelle, wenn das Beschäftigungsverhältnis aufgrund einer Kündigung nach § 17 Abs. 2 MuSchG endet oder der Arbeitgeber infolge einer Insolvenz zahlungsu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge