Rz. 92

Der Arbeitnehmerin wird durch § 17 ein zusätzlicher besonderer Kündigungsschutz gewährt. Natürlich muss die Kündigung auch den allgemeinen Wirksamkeitsanforderungen entsprechen. Daher muss sie der Arbeitnehmerin zugehen, wofür der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt.

Die Kündigung muss formgerecht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 und § 623 BGB erfolgen. Grds. muss der Arbeitgeber selbst, bei einer juristischen Person der gesetzliche Vertreter, also etwa der Geschäftsführer einer GmbH, die Kündigung aussprechen.

Erfolgt die Kündigung durch einen Bevollmächtigten, muss der Arbeitgeber § 174 BGB beachten. In diesem Fall muss der Bevollmächtigte grds. eine Originalvollmacht der Kündigung beifügen, es sei denn, es handelt sich um eine Person, die üblicherweise zum Ausspruch von Kündigungen befugt ist (z. B. Leiter der Personalabteilung, Prokurist) oder eine Person, deren Befugnis bekannt gemacht wurde. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so kann die Arbeitnehmerin die Kündigung unverzüglich (längstens innerhalb einer Woche) zurückweisen.

Erfolgt eine außerordentliche fristlose Kündigung, so muss ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegen, der nicht zwangsläufig in jedem "besonderen Fall" nach § 17 Abs. 2 gegeben ist. Auch muss der Arbeitgeber die Kündigung innerhalb einer Frist von 2 Wochen ab Kenntniserlangung vom Kündigungssachverhalt aussprechen. Dabei ist die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt, wenn der Arbeitgeber im Falle von Mutterschutz die behördliche Zulässigkeitserklärung innerhalb der 2-Wochen-Frist beantragt hat, gegen die Versagung der Zulässigkeitserklärung rechtzeitig Widerspruch bzw. Klage erhoben hat und sodann die außerordentliche Kündigung unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Wegfall des Zustimmungserfordernisses (Ende des Mutterschutzes) ausspricht.[1]

Besteht das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate und werden im Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer i. S. d. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt, bedarf eine ordentliche Kündigung der sozialen Rechtfertigung. Diese kann sich nach § 1 KSchG aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen ergeben.

Besteht ein Betriebsrat, so ist dieser nach § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung anzuhören. Entsprechendes gilt bei Bestehen eines Personalrats nach dem BPersVG oder den entsprechenden Landespersonalvertretungsgesetzen.

Liegt eine Massenentlassung nach § 17 KSchG vor, so muss der Arbeitgeber seinen Anzeige- und Mitteilungspflichten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit und dem Betriebsrat nachkommen. Ist die Arbeitnehmerin schwerbehindert, so muss der Arbeitgeber ihren Sonderkündigungsschutz nach §§ 168 ff. SGB IX beachten.

Arbeitnehmerinnen, die z. B. als Betriebsrätinnen, Wahlbewerberinnen oder Wahlvorstand Mandatsträger nach § 15 KSchG sind, besitzen einen besonderen Kündigungsschutz nach § 15 KSchG und § 103 BetrVG, der neben den Schutz des § 17 tritt.

Bei Auszubildenden muss der Arbeitgeber § 22 BBiG beachten.

 

Rz. 93

Die Arbeitnehmerin kann sich in bestimmten Fällen sowohl auf § 17 als auch auf § 18 BEEG berufen. Nimmt die Frau unmittelbar nach der Geburt Elternzeit in Anspruch und will der Arbeitgeber sodann innerhalb der 4-monatigen Schutzfrist des § 17 Abs. 1 kündigen, so muss der Arbeitgeber sowohl der Zulässigkeitserklärung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 als auch die nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG einholen. Obwohl regelmäßig dieselben Behörden zuständig sind, ist keine von beiden in der jeweils anderen enthalten.[2] Holt der Arbeitgeber daher nur die Zulässigkeitserklärung nach § 17 oder die nach § 18 BEEG ein, so erweist sich die Kündigung als unwirksam. Dabei sprechen sowohl systematische Gesichtspunkte als auch die unterschiedliche Zwecksetzung der beiden Kündigungsverbote für das Erfordernis einer ausdrücklichen Zustimmungserklärung nach beiden Vorschriften.[3]

Entsprechendes gilt, wenn die Arbeitnehmerin während der Elternzeit erneut schwanger wird, auch in diesem Fall benötigt der Arbeitgeber beide Zulässigkeitserklärungen.

 
Praxis-Beispiel

Arbeitnehmerin M ist beim IT-Unternehmen S als technische Kundenberaterin tätig, für Frau M bestand ab 19.12.2022 Mutterschutz. Am 9.2.2023 wurde sie von einem ersten Kind entbunden. Fa. S stellte am 22.2.2023 bei der zuständigen Behörde den Antrag nach § 17 Abs. 2. Frau M nahm ab 7.4.2023 bis zum 9.2.2023 Elternzeit in Anspruch. Am 5.5.2023 wurde die beabsichtigte Kündigung nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes für zulässig erklärt. Fa. S sprach alsdann mit Schreiben vom 18.5.2023 zum 30.6.2023 eine erste Kündigung aus. Im Oktober/November 2023 wurde die M. erneut schwanger. Am 17.12.2023 stellte die Fa. S bei der zuständigen Behörde vorsorglich einen Antrag nach § 18 BEEG. Am 31.1.2024 wurde die beantragte Kündigung nach den Bestimmungen des BEEG für zulässig erklärt. Alsdann sprach Fa. S mit Schreiben vom 9.2.2024 zum 31.3.2024 die zweite Kündigung aus.

Im Ergebnis sind beide Kündigungen unwirksam.

Die Kündigung vom 18.5.2023 ist nach §§...

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