Rz. 60

Vereinzelt wird vertreten, dass die Eigenkündigung der Frau unzulässig sein müsse, um zu vermeiden, dass der Arbeitgeber den absoluten Schutz umgeht und die Frau zu einer (zulässigen) Eigenkündigung bewegt.[1] Nach der überwiegenden Meinung[2] steht das absolute Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 dagegen einer Eigenkündigung der schwangeren Arbeitnehmerin nicht entgegen. Dem ist zuzustimmen, allerdings ist sorgfältig zu klären, ob tatsächlich eine Eigenkündigung der Frau vorliegt. Im Hinblick auf den Schutzzweck des MuSchG und die finanziellen Folgen einer Kündigung für die Frau ist bei der Auslegung ihrer Erklärung und der Deutung ihres begleitenden Verhaltens ein strenger Maßstab anzulegen[3] Durch die schriftliche Erklärung muss deshalb deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Frau das Arbeitsverhältnis beenden will.

Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht nicht gehalten, eine schwangere Arbeitnehmerin von ihrem Kündigungsentschluss abzubringen und über die mutterschutzrechtlichen Folgen zu belehren. Hat die Frau das Arbeitsverhältnis formgültig gekündigt, so kann sie die ausgesprochene Kündigung nachträglich nicht einseitig "zurücknehmen". Hierzu bedarf es des Einverständnisses des Arbeitgebers. Ist dieser mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht einverstanden, sondern hält an der Eigenkündigung der Frau fest, so ist dies im Hinblick auf § 17 nicht zu beanstanden, da hierin keine Kündigung des Arbeitgebers liegt, sondern die Verweigerung eines neuen Vertragsabschlusses, woran der Arbeitgeber durch das MuSchG nicht gehindert ist.[4]

Die Arbeitnehmerin muss bei der Kündigung den Schriftformzwang des § 623 BGB einhalten, ansonsten ist die Kündigungserklärung nach § 125 Abs. 1 Satz 1 BGB formunwirksam. In Ausnahmefällen kann die Berufung auf die Nichtigkeit der Kündigung aber gegen Treu und Glauben verstoßen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis selbst formlos gekündigt und ihre Kündigung trotz Vorhalts durch den Arbeitgeber mehrmals bestätigt hat.[5]

Die Anfechtung einer Eigenkündigung wegen Irrtums über das Bestehen der Schwangerschaft oder Irrtums über die mutterschutzrechtlichen Folgen der Kündigung scheidet aus.[6]

 

Rz. 61

Im Rahmen der Reform des Mutterschutzrechts entfernte der Gesetzgeber ersatzlos die Vorschrift des früheren § 10 MuSchG a. F. Danach konnte die Frau während der Schwangerschaft und während der Schutzfrist nach der Entbindung das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Frist zum Ende der Schutzfrist nach der Entbindung kündigen.[7]

Bei ihrer Einführung erfüllte die Regelung eine wichtige Funktion, indem sie sicherstellte, dass Frauen auf ihre veränderte persönliche Situation nach der Entbindung reagieren konnten, etwa weil sie feststellten, dass sich die Pflege und Betreuung des Kindes nicht mehr in Einklang mit der bisherigen Berufstätigkeit bringen ließ. Für dieses besondere Eigenkündigungsrecht der Frau besteht aber kein Regelungsbedarf mehr. Nach Einführung der Elternzeit besitzt die Vorschrift keine nennenswerte praktische Bedeutung mehr, da die Ausgestaltung des Elternzeitanspruchs einen angemesseneren Ausgleich der Belange von jungen Eltern bei Pflege und Betreuung des Kindes und ihrer Arbeitstätigkeit ermöglicht.

[1] BeckOK ArbR/Dahm, 69. Ed. 1.3.2023, § 17 MuSchG, Rz. 12.
[2] So schon BAG, Urteil v. 8.12.1955, 2 AZR 13/55, AP BGB § 123 Nr. 14; ; APS/Rolfs, § 17 MuSchG, Rz. 92; Brose/Weth/Volk/Volk, 9. Aufl. 2020, § 17 MuSchG, Rz. 123.
[3] BAG, Urteil v. 19.8.1982, 2 AZR 116/81, AP MuSchG 1968 § 9 Nr. 10.
[4] Brose/Weth/Volk/Volk, 9. Aufl. 2020, § 17 MuSchG, Rz. 124.
[5] Vgl. APS/Rolfs, § 17 MuSchG, Rz. 93.
[6] BAG, Urteil v. 6.2.1992, 2 AZR 408/91, NZA 1992, 790; APS/Rolfs, § 17 MuSchG, Rz. 94.
[7] Vgl. hierzu die Kommentierung Tillmanns/Mutschler/Just, MuSchG/BEEG, 1. Aufl. 2015, § 10 MuSchG a. F.

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