Rz. 50

Das Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 erfasst zwar alle Kündigungen des Arbeitgebers, es wirkt sich aber nicht auf andere Beendigungsformen des Arbeitsverhältnisses aus.

Dem Arbeitgeber wird hierdurch die Berufung auf ein nichtiges Arbeitsverhältnis, eine Beendigung durch Ablauf einer wirksamen Befristung oder durch formgültigen Aufhebungsvertrag nicht verwehrt. Auch eine Eigenkündigung der schwangeren Arbeitnehmerin ist möglich und führt auch während des Laufs der Schutzfristen zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

6.4.1 Nichtige Arbeitsverhältnisse

 

Rz. 51

Von einem aufgrund fehlender Geschäftsfähigkeit oder wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtigen Arbeitsverhältnis, das aber tatsächlich in Vollzug gesetzt wurde ("faktisches Arbeitsverhältnis"), können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmerin jederzeit ohne Ausspruch einer Kündigung lossagen, da § 17 Abs. 1 nur die Kündigung eines rechtlich existierenden Arbeitsverhältnisses betrifft, ist die Norm nicht (auch nicht entsprechend) anwendbar.

6.4.2 Anfechtung

 

Rz. 52

Wird ein Arbeitsverhältnis von einer Vertragspartei rechtswirksam angefochten, so ist § 17 Abs. 1 nicht anwendbar. Dies ist vorstellbar, wenn eine Arbeitnehmerin in den Einstellungsgesprächen eine für die Tätigkeit vom Arbeitgeber verlangte Qualifikation behauptet, diese aber tatsächlich nicht vorliegt. In diesem Fall ist eine Anfechtung des Arbeitsverhältnisses mit einer inzwischen schwangeren Arbeitnehmerin durch den Arbeitgeber wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB möglich, ohne dass sich die Frau auf das Kündigungsverbot des § 17 berufen kann.

 

Rz. 53

Allerdings kommt eine Anfechtung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber wegen einer Schwangerschaft der Arbeitnehmerin nicht in Betracht. Die Frau ist nicht zur Offenbarung ihrer Schwangerschaft verpflichtet. Beantwortet sie die in einem Einstellungsfragebogen gestellte Frage nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft oder nach Indizien hierfür bewusst falsch, berechtigt dies den Arbeitgeber gleichwohl nicht zu einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, da die Frage aufgrund einer Diskriminierung wegen des Geschlechts nach § 7 Abs. 1 MuSchG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG unzulässig ist. Dies gilt bei einer unbefristeten Einstellung selbst dann, wenn die Frau während der Schwangerschaft die Tätigkeit aufgrund einer Gefährdung für Leib und Leben von Mutter oder ungeborenem Kind nicht ausüben kann.

Als Folge der Rechtsprechung des EuGH kommt eine Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung bei einer bewusst wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach einer Schwangerschaft selbst in Fällen, in denen die Arbeitnehmerin nur befristet, etwa zur Vertretung einer anderen Arbeitnehmerin, eingestellt wird, nicht in Betracht.[1] Dies gilt auch, wenn sie aufgrund der Schwangerschaft (etwa wegen eines Beschäftigungsverbots) die Tätigkeit tatsächlich während der gesamten Dauer der Befristung nicht ausüben kann.[2]

 

Rz. 54

Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB wegen Fehlens einer verkehrswesentlichen Eigenschaft kommt nicht in Betracht, da das Diskriminierungsverbot einer solchen entgegensteht und es sich bei der Schwangerschaft nur um einen vorübergehenden Zustand und damit nicht um eine Eigenschaft i. S. d. Vorschrift handelt.

[2] APS/Rolfs, § 17 MuSchG, Rz. 85.

6.4.3 Befristung/auflösende Bedingung

 

Rz. 55

Ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Befristung, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Daher findet § 17 Abs. 1 auf die Beendigung befristeter Arbeitsverhältnisse keine Anwendung, sodass sich eine schwangere Arbeitnehmerin nicht auf das Kündigungsverbot des Abs. 1 berufen und die Fortsetzung des befristeten Arbeitsverhältnisses verlangen kann. Eine Ausnahme gilt nach § 2 Abs. 5 Nr. 3 WissZeitVG für befristet beschäftigte Mitarbeiterinnen an Hochschulen und staatlichen Forschungseinrichtungen, diese Regelung ist aber nicht auf andere Bereiche übertragbar.

Allerdings kann der Arbeitnehmerin in Ausnahmefällen aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 BGB) ein Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zustehen, wenn der Arbeitgeber ihr gegenüber in zurechenbarer Weise das Vertrauen erweckt hat, sie unter bestimmten Voraussetzungen (etwa ihrer Bewährung während der Probezeit) unbefristet weiter zu beschäftigen, sie diese Voraussetzungen erfüllt hat und ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur wegen ihrer Schwangerschaft verweigert wird.[1]

 

Rz. 56

Der Arbeitgeber kann auch mit einer schwangeren Arbeitnehmerin ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbaren, dies gilt auch bei positiver Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft.[2] Dabei kann sowohl eine Befristung mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG als auch eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG vereinbart werden[3], da aus Art. 6 Abs. 4 GG kein generelles Verbot der Befristung von Arbeitsverhältnissen werdender Mütter folgt. Allerdings darf die Schwangerschaft der befristet eingestellten Arbeitnehmerin w...

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