Rz. 25

Der Arbeitgeber muss bei Ausspruch der Kündigung positive Kenntnis von der Schwangerschaft oder Entbindung besitzen. Dagegen genügt die fahrlässige Unkenntnis des Arbeitgebers nicht. Selbst bei grober Fahrlässigkeit greift der Kündigungsschutz nicht ein. Daher ist es nicht ausreichend, dass der Arbeitgeber eine Schwangerschaft vermutet oder für möglich hält. Konsequenterweise kann dann auch keine Erkundigungspflicht des Arbeitgebers bestehen[1], selbst wenn hinreichende Anhaltspunkte oder Gerüchte im Betrieb auf eine Schwangerschaft hindeuten. Ansonsten würde der Arbeitgeber zu einem "Nachschnüffeln" verpflichtet, was zu einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Frau führen könnte.[2]

 

Rz. 26

Das Gesetz schreibt keine besondere Form der Kenntniserlangung vor, es ist gleichgültig, ob der Arbeitgeber die Kenntnis aus einer Mitteilung der Frau selbst, einem vorgelegten ärztlichen Attest oder durch Mitteilungen anderer Personen (auch Familienangehörige der Frau) erlangt.

Nach Auffassung des BAG[3] soll die Überreichung einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit der Krankheitsbezeichnung "Hyperemesis gravid" (Erbrechen während der Schwangerschaft) dem Arbeitgeber die Kenntnis von der Schwangerschaft verschaffen. Dem ist nicht zuzustimmen, wenn es sich um nicht allgemein verständliche Fachbegriffe handelt, die der Arbeitgeber tatsächlich nicht versteht und auch nicht verstehen muss.[4] Werden in einer ärztlichen Bescheinigung aber Beschäftigungsverbote genannt, die üblicherweise bei Schwangerschaften eingreifen, ist von einer positiven Kenntnis des Arbeitgebers auszugehen. Der Arbeitgeber kann auf die Angaben der Frau vertrauen. Erkundigt sich der Arbeitgeber und verneint die Frau unzutreffenderweise die Schwangerschaft, so liegt keine positive Kenntnis vor.

 
Praxis-Beispiel

Die Arbeitnehmerin legt in einem Handwerksbetrieb eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit der Diagnose "Hyperemesis gravid." vor, in diesem Fall tritt keine Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft ein.

Wird diese Bescheinigung dagegen in einer ärztlichen Praxis vorgelegt, so ist von einer Kenntniserlangung auszugehen.

Da der konkrete Inhalt der Mitteilung im Gesetz nicht näher beschrieben ist, müssen Unsicherheiten, die für beginnende Schwangerschaften typisch sind, hingenommen werden. Daher reicht es, wenn die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber ohne sofortigen Nachweis eine ihm noch nicht bekannte Schwangerschaft anzeigt oder ihm mitteilt, sie sei zum Zeitpunkt der Kündigung vermutlich schwanger gewesen. Um den besonderen Kündigungsschutz zu erhalten, genügt auch eine nur vorsorgliche Mitteilung der Arbeitnehmerin, eine Schwangerschaft sei wahrscheinlich oder werde vermutet[5], sofern die Frau tatsächlich schwanger ist.

 

Rz. 27

Maßgeblich ist die Kenntnis des Arbeitgebers. Ist dies eine natürliche Person, so ist deren Kenntnis maßgeblich. Bei einer juristischen Person ist auf den gesetzlichen Vertreter abzustellen. Bei einer GmbH ist daher grds. die Kenntnis des Geschäftsführers maßgeblich, wobei die Kenntnis eines von mehreren gesetzlichen Vertretern genügt. Bei einer BGB-Gesellschaft ist die Kenntnis eines Gesellschafters ausreichend. Dabei genügt aber die Kenntnis eines Vertreters des Arbeitgebers (z. B. Prokurist) oder eines mit Personalverantwortung ausgestatteten und zum Ausspruch von Kündigungen berechtigten Vorgesetzten der Schwangeren.[6] Dagegen ist die Kenntnis von Kollegen, Mitgliedern des Betriebsrats oder des Betriebsarztes allein nicht ausreichend.[7] Die Mitteilung der Schwangerschaft kann die schwangere Arbeitnehmerin auch über eine dritte Person dem Arbeitgeber übermitteln. Diese wird dabei als Erklärungsbote der Schwangeren tätig. In einem solchen Fall geht die Mitteilung der Schwangerschaft aber nicht schon bei Übermittlung an den Boten, sondern erst mit der tatsächlichen Weitergabe an den Arbeitgeber zu. Daher trägt die Schwangere das Übermittlungsrisiko. Wird die Mitteilung der Schwangerschaft aber an den Arbeitgeber weitergegeben, so muss dieser sich die Kenntnis zurechnen lassen. Dies gilt auch für eine nachträgliche Mitteilung der Schwangerschaft innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1.

 
Praxis-Beispiel

Frau M. war als Hauswirtschaftskraft in einem Pflegeheim tätig. Der Geschäftsführer war nur gelegentlich in dem Heim anwesend. Am 13.11.2012 informierte Frau M. die leitende Pflegekraft Frau P. im Zusammenhang mit einem Urlaubswunsch von ihrer bestehenden Schwangerschaft. Frau P., die für den Pflegebereich, aber nicht für den Bereich Hauswirtschaft/Küche personalverantwortlich war, wies Frau M. darauf hin, dass diese Mitteilung direkt gegenüber dem Geschäftsführer zu erfolgen habe. Dies erfolgte aber nicht. Der Geschäftsführer wurde von der leitenden Pflegekraft P. aber in einem Gespräch über die Kündigung von Frau M. vom 14.11.2012 über deren bestehende Schwangerschaft informiert. Frau M. erhielt am 14.11.2012 eine ordentliche Kündigung. Sie erhob Klage und rügte die Unwirksamkeit der ...

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