Rz. 8

Für ein Beschäftigungsverbot sind der individuelle Gesundheitszustand und die konkrete Arbeitstätigkeit der schwangeren Arbeitnehmerin maßgebend. Es genügt, dass die Fortsetzung der Arbeit mit einer Gefährdung der Gesundheit von Mutter oder Kind verbunden ist und die Fortsetzung der Arbeit für die Gefährdung kausal ist. Gefährdung ist dabei ein abstrakter Rechtsbegriff und knüpft an die Möglichkeit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung an. Sie muss durch die gegebenen Umstände möglich und das Eintreten der gesundheitlichen Folgen hinreichend wahrscheinlich sein. Es genügt nicht eine allgemeine Gefahrenlage, sondern es muss sich um eine spezifische, die Gesundheit der Frau oder des Kindes bedrohende Lage handeln.

Das ärztliche Zeugnis muss auf einer Beurteilung der Umstände und Gegebenheiten aufbauen und die objektive Situation aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Umstände berücksichtigen. Nach Erfassen der Umstände und Bewertung möglicher Gefahren muss der Arzt zu einer subjektiven Einschätzung der Gefährdung für die Gesundheit der Frau oder des Kindes kommen. Dies beruht auf der medizinischen Sachkunde zum einen und der Kenntnis der Gesundheitslage der Frau auf der anderen Seite. Diese Gesundheitseinschätzung beruht auf den Untersuchungen im Rahmen der Schwangerschaft und unterliegt der medizinischen Schweigepflicht. Der Arzt muss daher nicht medizinische Besonderheiten, die etwa zu einer abweichenden Gefahrenlage für die konkrete Person führen, offenlegen; es genügt, dass er die Schlussfolgerung einer Gefährdungseinschätzung vornimmt. Diese muss allerdings insofern von Sachkunde geprägt sein, dass die konkrete Situation und die betroffene Person zutreffend beschrieben sind. Es gibt keine Verpflichtung, vor Abgabe des Zeugnisses etwa eine Augenscheinnahme oder andere Untersuchungen anzustellen, es reicht der Abgleich der medizinischen Situation in der Schwangerschaft mit den Besonderheiten des Arbeitsplatzes.

Der Arzt entscheidet in eigener Verantwortung, ob bei einer Fortdauer der Beschäftigung die Gesundheit der schwangeren Frau oder die ihres Kindes gefährdet ist. Er attestiert gegenüber der schwangeren Frau ein ärztliches Beschäftigungsverbot, wenn Gefährdungen für die Gesundheit der Frau oder ihres Kindes bei einer Fortdauer der Beschäftigung gegeben sind. Der Arzt hat hierbei einen Entscheidungsspielraum, ob er ein teilweises (zeitlich befristet/aufgabenbezogen/vorläufig) oder ein vollumfängliches Beschäftigungsverbot attestiert. Aufgrund eines ärztlichen Beschäftigungsverbots darf der Arbeitgeber eine schwangere Frau in dem dort benannten Umfang nicht mehr beschäftigen.

Soweit der Arzt in dem ärztlichen Zeugnis die gefährdenden Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen konkret benennt, der Arbeitgeber die benannten Gefährdungen durch Zuweisung geeigneter und zumutbarer Tätigkeiten abwenden kann und dies in einer neuen konkretisierten Gefährdungsbeurteilung schriftlich dokumentiert, verliert das ärztliche Zeugnis seine Gültigkeit.[1]

 

Rz. 9

Unerheblich ist die Ursache der Gefährdung. Die Arbeitstätigkeit der Schwangeren oder ihr räumlicher Arbeitsbereich als solcher müssen nicht generell gesundheitsgefährdend sein, die Gefährdung kann sich aus der besonderen Kombination von Arbeitsplatz und den hohen Anforderungen an den Schutz der Schwangeren ergeben. Ein Beschäftigungsverbot ist auch dann auszusprechen, wenn die Beschäftigung für andere Frauen unabhängig von einer Schwangerschaft keinerlei Gefährdung ergibt, aber im Einzelfall aufgrund der individuellen Verhältnisse der schwangeren Frau die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährden würde.

Die Gefährdung muss nach dem Wortlaut von § 16 von der Beschäftigung ausgehen. Damit gehören das Wegerisiko, also Gefahren auf dem Weg von und zum Arbeitsplatz nicht zu den Auslösern eines ärztlichen Beschäftigungsverbots.[2]

 

Rz. 10

Unter dieser Voraussetzung können auch psychische Belastungen ein Beschäftigungsverbot begründen, es müssen nicht nur Einwirkungen durch Gefahrstoffe sein, auch wenn diese eine Gefährdung indizieren. Es greift aber erst ein, wenn der Arzt eine Gefährdung attestiert.[3] Gerade die psychischen Belastungen sind – anders als mechanische oder physikalische Einwirkungen – nur schwer objektiv erfassbar und können nur bedingt durch Maßnahmen des Arbeitgebers abgestellt und beseitigt werden.[4] Der Gesetzgeber spricht von Gefährdung der Gesundheit und verwendet nicht die ansonsten erwartbare und in früheren Versionen verwendete Formulierung "Gefährdung für Leib und Leben". "Gesundheit" ist ein weiter gefasster Begriff und beinhaltet nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das körperliche und geistige Wohlbefinden gleichermaßen. Mit dieser Definition löste die WHO den Begriff der Gesundheit aus einer rein biomedizinischen Sichtweise. "Gesundheit" umfasst körperliche, seelisch-geistige und soziale Anteile, die sich wechselseitig beeinflussen.

 

Rz. 11

Dem ärztlichen Zeugnis nach § 16 Abs. 1 kommt ein hoher Beweiswert zu. Die schwangere A...

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