Rz. 2

Absatz 1 regelt den vorgeburtlichen Schutz: Wenn nach ärztlichem Zeugnis durch die Fortdauer der Tätigkeit die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet ist, darf der Arbeitgeber die Frau nicht weiter auf dem Arbeitsplatz beschäftigen. Das Beschäftigungsverbot ist unabhängig von Fristen und daher selbstständig. Das vorgeburtliche Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG stellt auf die Frist vor der Geburt ab. Dieses ärztliche Beschäftigungsverbot nach § 16 ist davon unabhängig und kann daher theoretisch ab Feststellung der Schwangerschaft Wirkung entfalten, wenn die medizinischen Voraussetzungen gegeben sind.

Das Verbot der Beschäftigung besteht aber erst dann, wenn der Arzt eine Gefährdung attestiert mit Wirkung für die Zukunft. Das ärztliche Zeugnis ist für das Beschäftigungsverbot konstitutiv.[1]

Die formalen Anforderungen sind hoch, es muss sich um ein ärztliches Dokument (Gesetzeswortlaut: "Zeugnis") handeln, das

  • konkret das Beschäftigungsverbot ausspricht,
  • den ausstellenden Arzt bezeichnet,
  • aktuell und
  • individuell personifiziert auf die einreichende Arbeitnehmerin ausgestellt ist.

Eine allgemeine medizinische Beschreibung, eine Mitteilung über das Bestehen einer Schwangerschaft an sich oder von vorsorglichen Hinweisen geprägte generelle Umschreibung reichen nicht. Gleiches gilt für Dokumente, die nicht von einem Arzt ausgestellt sind, etwa eigene Erklärungen oder Stellungnahmen einer Hebamme. Die Beschäftigung muss kausal sein für die Gefährdung, also die Ursache für die Gefährdung bilden. Sie muss sich durch ein Beschäftigungsverbot beseitigen lassen.

Das ärztliche Zeugnis muss die individuelle gesundheitliche Lage der Patientin zugrundelegen, ohne jedoch dem Arbeitgeber medizinische Befunde oder persönliche, geschützte Daten zu offenbaren.

Dabei genügt es nicht, ein im Internet heruntergeladenes Dokument vorzulegen.

Ein Beschäftigungsverbot darf nur dann ausgesprochen werden, wenn die Fortdauer der Beschäftigung Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind gefährden würde. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot in Wahrheit nicht vorgelegen haben, liegt beim Arbeitgeber.

Der Arzt der Schwangeren hat zwar die Fragen des Arbeitgebers nach dem Umfang des Beschäftigungsverbots, nicht aber die Fragen nach den Gründen für den Ausspruch des Beschäftigungsverbots zu beantworten. Angaben über den Gesundheitszustand und über den Verlauf der Schwangerschaft gehören nicht in das ärztliche Zeugnis hinein. Durch einfaches Bestreiten kann der Arbeitgeber nicht erreichen, dass die Schwangere oder ihr Arzt Angaben dazu macht und sie ihren Arzt von der Schweigepflicht entbindet.[2]

Das ärztliche Beschäftigungsverbot muss dem Arbeitgeber zugehen und er muss davon Kenntnis erlangen. Es bedarf jedoch keiner weiteren Zwischenschritte oder eigenen Bewertungen durch den Arbeitgeber.

Bescheinigt ein Arzt einer schwangeren Arbeitnehmerin ein Beschäftigungsverbot, so hat er auf Verlangen des Arbeitgebers mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung seines Zeugnisses ausgegangen ist, welche Einschränkungen für die Arbeitnehmerin bestehen und ob krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat.[3]

Ein Rechtsmittel gegen das Beschäftigungsverbot ist nicht vorgesehen. Der Arbeitgeber kann allenfalls durch ein weiteres medizinisches Zeugnis die Einschätzung revidieren lassen oder das Beschäftigungsverbot auf bestimmte Gefahrenbereiche, Orte oder Zeiten begrenzen lassen.

Will der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot wegen objektiv begründbarer Zweifel nicht gegen sich gelten lassen, kann er eine weitere ärztliche Untersuchung der Arbeitnehmerin verlangen. Die Arbeitnehmerin hat diesem Verlangen angesichts der den Arbeitgeber treffenden Belastungen regelmäßig nachzukommen, wenn der Arbeitgeber ihr die ihn dazu bewegenden Gründe mitteilt.[4]

Der Schutz von § 16 Abs. 1 MuschG gilt für den gesamten Zeitraum der Schwangerschaft bis zu deren Ende. Voraussetzung für ein ärztliches Zeugnis ist das Bestehen einer Schwangerschaft.[5]

Erst mit der Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib ist eine Schwangerschaft beendet.[6]

Das ärztliche Beschäftigungsverbot umfasst die konkrete Ausübung einer Tätigkeit. "Beschäftigung" ist in § 2 Abs. 2 MuSchG gesetzlich definiert und umfasst jede Form der Betätigung, die eine Frau im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MuSchG ausübt.

Der Ausspruch des Beschäftigungsverbots stellt keine hinreichende Bedingung des Anspruchs dar, sondern dient nur als Beweismittel für das Vorliegen des Beschäftigungsverbots; als Beweismittel kann die ärztliche Bescheinigung durch anderweitige Tatsachen mehr oder weniger entwertet werden. Ein erhebliches Vorbringen des Arbeitgebers wäre etwa, die Arbeitnehmerin habe dem Arzt ihre Arbeitsbedingungen, die für den Ausspruch des Verbots ausschlaggebend gewesen seien, unzutreffend beschrieben.[7]

 

Rz. 3

Der vorgeburtliche Schutz wird gewährleistet, indem jederzeit ein ärztliche...

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