Rz. 22

Im Bewerbungsverfahren hat die Arbeitnehmerin ein Interesse, eine bestehende oder geplante Schwangerschaft nicht zu offenbaren, da sie andernfalls befürchten muss, wegen der Schwangerschaft die Stelle nicht zu erhalten. Umgekehrt mag der Arbeitgeber ein Interesse haben, niemanden einzustellen, der die Arbeit wegen schwanger- und mutterschaftsbedingter Ausfallzeiten im Wesentlichen nicht erfüllen kann. Angesichts dieser widerstreitenden Interessen wurde die Zulässigkeit der Frage nach der Schwangerschaft im Bewerbungsverfahren über die Jahre unterschiedlich beurteilt.[1]

 

Rz. 23

Rechtsgrundlage ist heute unionsrechtlich Art. 14 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrichtlinie.[2] Danach darf es in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung oder zur Erwerbstätigkeit unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben. Nationalrechtlich bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG ausdrücklich, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts in Bezug auf den Zugang zur Erwerbstätigkeit auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vorliegt.

 

Rz. 24

Damit ist klar, dass eine Arbeitnehmerin, die sich auf eine unbefristete Stelle bewirbt, ihre Schwangerschaft weder von sich aus offenbaren noch eine entsprechende Frage wahrheitsgemäß beantworten muss. Dies gilt auch für Fragen auf Einstellungsbögen oder Personalfragebögen. Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwangerschaft ist unzulässig, weil sie erkennbar darauf gerichtet ist, die Bewerberin bei einer Bejahung der Frage schon wegen der Schwangerschaft – folglich wegen des Geschlechts – nicht einzustellen.[3] Dies gilt selbst dann, wenn gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses die Tätigkeit wegen eines Beschäftigungsverbots nicht aufgenommen werden kann. Die Bewerberin ist bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nämlich nach Ablauf des Mutterschutzes in der Lage, der vertraglich vorgesehenen Tätigkeit nachzugehen. Das nach dem unbefristeten Arbeitsvertrag vorausgesetzte langfristige Gleichgewicht wird durch das befristete Beschäftigungsverbot nicht entscheidend gestört, zumal der Arbeitgeber die nach §§ 18 ff. MuSchG zu zahlende Vergütung nach § 1 AAG erstattet erhält.

 

Rz. 25

Mittlerweile geht die herrschende Meinung[4] darüber hinaus davon aus, dass die Frage nach der Schwangerschaft eine Diskriminierung wegen des Geschlechts indiziert und generell unzulässig ist. Dies gilt auch für die Situation, dass im Bewerbungsverfahren bereits absehbar ist, dass die Arbeit wegen schwanger- und mutterschaftsbedingter Ausfallzeiten vollständig oder für einen wesentlichen Teil der Vertragslaufzeit nicht erbracht werden kann. Diese Auffassung entspricht der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Tele Danmark[5], wonach die Entlassung einer schwangeren Arbeitnehmerin mit der Begründung, diese habe den Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren nicht über – die ihr bekannte – Schwangerschaft unterrichtet, unzulässig sei, auch wenn feststand, dass sie aufgrund ihrer Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils der befristeten Vertragszeit nicht würde arbeiten können. Am selben Tag hatte der EuGH zudem entschieden, dass auch die Nichterneuerung eines befristeten Arbeitsvertrags, die ihren Grund in der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hat, eine unzulässige unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt.[6]

 
Praxis-Tipp

Auf Frage nach einer Schwangerschaft verzichten

Da eine unzulässige Frage die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts begründen kann, ist dem Arbeitgeber regelmäßig davon abzuraten, sich im Bewerbungsgespräch nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft zu erkundigen. Weil die Arbeitnehmerin in Fällen, in denen sie ausnahmsweise wahrheitsgemäß auf die Frage antworten müsste, die Schwangerschaft regelmäßig auch von sich aus offenlegen muss, bringt die Frage dem Arbeitgeber rechtlich ohnehin keine Vorteile.

 

Rz. 26

Da die Frage nach der Schwangerschaft im Einstellungsverfahren nicht gestellt werden darf, darf der Arbeitgeber auch keine ärztliche Bescheinigung verlangen, dass keine Schwangerschaft besteht. Wird im Rahmen einer Einstellungsuntersuchung eine Schwangerschaft festgestellt, unterliegt diese Feststellung der ärztlichen Schweigepflicht; eine Information des Arbeitgebers darf nur mit Zustimmung der Bewerberin erfolgen.[7]

 

Rz. 27

Wird die Frage nach der Schwangerschaft unzulässigerweise gestellt, braucht die Bewerberin nicht wahrheitsgemäß zu antworten. Eine unzutreffende Antwort begründet weder ein Anfechtungsrecht des Arbeitgebers noch einen Schadensersatzanspruch. Umgekehrt wird die Bewerberin in diesen Fällen einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG gegen den Arbeitgeber geltend machen können.

 
Praxis-Tipp

Kein Indiz für Benachteiligung trotz Kenntnis der Schwangerschaft

Dass der Arbeitgeber, der um die Schwangerschaft einer Bewerberin weiß, sich für einen anderen Bewerber entscheidet, stell...

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