Rz. 18

Der Arbeitgeber darf eine stillende Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Abs. 1 regelt die Unzulässigkeit von Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen während der Stillzeit im Hinblick auf Gefahrstoffe unabhängig von Aggregatzuständen und Erscheinungsformen (Gas, Staub, Dämpfe, Rauch) und übernimmt damit im Wesentlichen den Regelungsgehalt der bisher geltenden §§ 4 und 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 MuSchArbV und des früheren § 4 Abs. 1 MuSchG, die zum 31.12.2017 außer Kraft getreten sind.

Der Gesetzgeber hat im Mutterschutzgesetz weitreichende Vorgaben gemacht, welche Belastungen einer stillenden Mutter zuzumuten sind und welche auf jeden Fall eine Gefährdung darstellen, sodass im Zweifel eine weitere Beschäftigung verboten ist. Der Regelungskatalog ist zwingend, d. h. der Arbeitgeber darf keine davon abweichende Beurteilung vornehmen.

 

Rz. 19

Adressat der Schutzpflicht aus § 12 ist der Arbeitgeber. Arbeitgeber[1] ist, wer die rechtliche Vertragsbeziehung eingegangen und Empfänger der Arbeitsleistung und zur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist. Das Gesetz ist an den Arbeitgeber adressiert, da dieser die tatsächlichen und materiellen Möglichkeiten hat, die Schutzmaßnahmen umzusetzen. Durch seine Organisationsgewalt[2] (bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern) und sein Direktionsrecht[3] kann der Arbeitgeber die notwendigen Anweisungen erteilen, Beschaffung von Werkzeugen und Gerätschaften vornehmen und auf die Einhaltung von Vorschriften dringen. Er hat damit die Verantwortung für die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse und ihre organisatorische und räumliche Umgebung. Die Verpflichtung nach § 12 trifft den Arbeitgeber bei der Beschäftigung einer stillenden Mutter unmittelbar. Der Arbeitgeber muss daher unter Ausübung des eigenen Beurteilungs- und Ermessensspielraums eine mögliche Gefährdung ermitteln und daraus die richtigen Schritte (§§ 9, 10, 13 MuSchG) ziehen.

 

Rz. 20

Anknüpfungspunkt ist auch hier – wie bei § 11 MuSchG – die konkrete Tätigkeit und der konkrete Arbeitsplatz. Es gelten die zum Arbeitsplatz gemachten Ausführungen. Arbeitsplatz[4] ist umfassend i. S. v. § 2 ArbStättV die Beschäftigungsstelle, also der Ort der konkreten Arbeitsleistung[5], der betriebliche Arbeitsplatz, an dem regelmäßig die Arbeitsleistung erbracht werden muss und der Arbeitsvertrag definiert ist.[6]

 

Rz. 21

Der im Gesetzestext verwendete Begriff der "Arbeitsbedingungen" ist umfassend zu verstehen, er meint nicht nur die in einem Stellenplan organisatorisch angelegte Funktion; vielmehr ist die konkrete räumliche und organisatorische Situation zu ermitteln, aus der sich Beeinträchtigungsmöglichkeiten für die zu schützende Person ergeben. Damit können auch Einflüsse berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar aus der Tätigkeit oder dem konkreten Arbeitsplatz abgeleitet sind, sich aber aus ergänzenden Sachverhalten und Konstellationen, eben den Arbeitsbedingungen ergeben. Dazu zählt etwa auch die Lage der Arbeitszeit, die räumliche Einbindung in ein Betriebsgelände oder Einflüsse aus vor- und nachgelagerten Fertigungsabschnitten.

 

Rz. 22

Zum Arbeitsplatz gehört auch das betriebliche Umfeld, einschließlich der technischen Einrichtung von Maschinen und Anlagen sowie die Arbeitsabläufe und konkreten Fertigungsprozesse einschließlich der von der Stillenden in diesem Rahmen zu erbringenden Arbeitshandlungen und Mitwirkungen körperlicher oder geistiger Art. Beleuchtet wird die Rolle der Arbeitnehmerin im konkreten Produktentstehungsprozess.

 

Rz. 23

Aber nicht nur die unmittelbare Stätte der Erbringung der Arbeitsleistung, auch Umgebungseinflüsse wie Beleuchtung, Belüftung, Bodenbelag oder Zugänge müssen dem besonderen Schutzgedanken aus dem Mutterschutzgesetz unter dem Aspekt des Schutzes der Stillenden gerecht werden.

 

Rz. 24

Das Schutzgebot erfasst auch die Arbeitsorganisation. Zur Arbeitsorganisation gehört die konkrete betriebliche Gestaltung des Arbeitsablaufes wie: Konkrete Arbeitsabläufe und einzelne Arbeitsschritte, Produktionsanweisungen oder Bearbeitungsvorgaben, Arbeitszeit (Beginn und Ende der täglichen Anwesenheit), Pausen und Erholungszeiten oder das Arbeitstempo (wie etwa Akkord- oder Leistungsvorgaben; Bandgeschwindigkeit bei Fließfertigung), aber auch die Frage, ob bestimmte Arbeitskleidung, vor allem Schutzkleidung als erschwerender Umstand zu tragen ist.[7]

Arbeitsstätten[8] sind Orte in Gebäuden oder im Freien, die sich auf dem Gelände eines Betriebes oder einer Baustelle befinden und die zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind. Aber auch andere Orte in Gebäuden oder im Freien, die sich auf dem Gelände eines Betriebes oder einer Baustelle befinden und zu denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben.

Damit können beeinträchtigende Arbeitsbedingungen für § 12 sich auch ergeben aus der Bewertung von Verkehrswegen wie Gäng...

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