1 Normzweck und Systematik

 

Rz. 1

In der bis Ende 2017 geltenden Fassung des Mutterschutzgesetzes hatte der Gesetzgeber in der Mutterschutzarbeitsverordnung bestimmte Gefährdungssituationen beschrieben, bei deren Vorliegen eine Beschäftigung in der Schwangerschaft unzulässig ist. Die Inhalte dieser Rechtsverordnung sind in der Neufassung seit 1.1.2018 nun direkt in das MuSchG übernommen worden. § 11 enthält eine Positivliste der Tätigkeiten, die für eine Schwangere unzulässig sind. Muss ein Arbeitgeber nach §§ 9, 10 MuSchG eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen und prüfen, ob die Tätigkeit mit der Schwangerschaft vereinbar ist, so sind alle Tätigkeiten, die § 11 auflistet, von vornherein mit einer Schwangerschaft unvereinbar.

Die Vorgaben des § 11 sind bei der Bestimmung der erforderlichen Schutzmaßnahmen nach § 10 Abs. 1 und 2 MuSchG zu berücksichtigen und enthalten damit auch wesentliche Vorgaben für die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 10 MuSchG.

Eine Gefährdung im arbeitsschutzrechtlichen Sinn liegt vor, wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist. Besondere Anforderungen an das Ausmaß der Gefährdung oder die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts bestehen nicht.[1] Eine Gefährdung ist unverantwortbar und damit vom Arbeitgeber auszuschließen, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit so hoch ist, dass sie wegen der Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Vorausgesetzt ist also eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts im Zusammenwirken mit einer erhöhten Schwere der möglichen Gesundheitsbeeinträchtigung.[2]

Die sich aus § 11 ergebenden Verbote schließen eine Weiterbeschäftigung nicht generell aus, der aufgeführte Katalog erklärt nur bestimmte Tätigkeiten für unzulässig.

Vielmehr ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MuSchG zunächst zu prüfen, ob die von den jeweiligen Tätigkeiten oder den mit ihnen verbundenen Arbeitsbedingungen ausgehende unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau durch Änderung der Gestaltung der Arbeitsbedingungen nach § 9 Abs. 2 MuSchG oder durch einen Arbeitsplatzwechsel ausgeschlossen werden kann. Das betriebliche Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG kommt nur als letzte Möglichkeit in Betracht.

Zu beachten ist auch der Gefährdungsausschluss nach § 9 Abs. 2 Satz 3 MuSchG: Danach gilt eine unverantwortbare Gefährdung als ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer stillenden Frau oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird.[3]

 

Rz. 2

Das Gesetz listet eine Reihe von Gefährdungssituationen auf, gliedert und regelt unzulässige Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für schwangere Frauen im Hinblick auf:

  • Gefahrstoffe (Abs. 1),
  • Biostoffe (Abs. 2),
  • physikalische Einwirkungen (Abs. 3),
  • eine belastende Arbeitsumgebung (Abs. 4),
  • körperliche Belastungen oder mechanische Einwirkungen (Abs. 5) sowie
  • Akkord- und Fließarbeit (Abs. 6).
 

Rz. 3

Der Gesetzgeber unterscheidet in unzulässige Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für Schwangere (§ 11) und in unzulässige Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für Stillende (§ 12 MuSchG) und trägt damit einer unterschiedlichen Gefährdungslage während einer Schwangerschaft und innerhalb der Stillzeit Rechnung.

 

Rz. 4

Die in der Mutterschutzverordnung – MuSchArbV aufgeführten Sachverhalte (Gefahrstoffe, biologische, chemische, physikalische Einwirkungen) sind ab dem 1.1.2018 im Mutterschutzgesetz enthalten, die MuSchArbV ist zu diesem Zeitpunkt außer Kraft getreten. Gleiches gilt für die Bußgeldvorschriften von § 6 MuSchArbV, die sich nun unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (§ 32 MuSchG). Die Übernahme der eher technischen Regelungsinhalte direkt in das Gesetz waren ein richtiger und praxisgerechter Schritt. In einer technisch schnelllebigen Zeit, in der sich Arbeitsbedingungen rasch verändern, ist die Durchführung eines Verfahrens zur Änderung eines Gesetzes, um die technischen Neuerungen in das MuSchG aufzunehmen, komplizierter und langwieriger als die Anpassung einer Rechtsverordnung, jedoch finden sich die Anforderungen in der Praxis in den spezifischen Verordnungen wieder.

1.1 Weitere Schutzvorschriften

 

Rz. 5

Das MuSchG steht im Kontext weiterer, grundsätzlich für das Arbeitsverhältnis geltenden Schutzvorschriften. Bei der Beurteilung der Unzulässigkeit von bestimmten Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen sind daher gegebenenfalls auch mutterschutzrechtliche Regelungen in weiteren arbeitsschutzrechtlichen Regelwerken zu berücksichtigen. So enthalten bspw. die Strahlenschutz- oder Röntgenverordnung besondere Vorschriften zum Schutz der schwangeren und stillenden Frauen.

Diese Regelungen sind als Konkretisierungen des mutterschutzrechtlich abgesteckten Regelungsrahmens zu verstehen. Sie werden nicht nochmals im MuSchG geregelt, weil ihre Anwendbarkeit durch das MuSchG nicht berührt wird. In der BioStoffV und der GefStoffV finden sich h...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge