Rz. 59

Neben den allgemeinen und den biologischen Gefahrstoffen, hat der Gesetzgeber auch eine Beschreibung gefährlicher physikalischer Einwirkungen ins Gesetz aufgenommen. Die unzulässigen Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen wegen der Gefährdung schwangerer Frauen durch physikalische Schadfaktoren entsprechen im Wesentlichen denen im bis zum 31.12.2017 geltenden § 4 Abs. 1 MuSchG. Die Regelung entspricht im Aufbau denen für die allgemeinen und biologischen Schadstoffe.

Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 darf eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben und keinen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sein, bei denen sie physikalischen Einwirkungen in einem Maß ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder ihr (ungeborenes) Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt.

Soweit die Möglichkeit besteht, dass die Frau bestimmten Schadfaktoren ausgesetzt werden kann, muss der Arbeitgeber die Schadfaktoren im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung prüfen. Die betreffenden Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen sind jedoch nur unzulässig, wenn sich die Gefährdung als unverantwortbar darstellt.

 

Rz. 60

§ 11 Abs. 3 Satz 2 nennt – entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben im Anhang I der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG (unter Buchstabe A., Nr. 1, Buchstabe a, c, d, e und f) – einzelne physikalische Einwirkungen, die nach Satz 1 zu berücksichtigen sind. Ausdrücklich genannt sind ionisierende Strahlungen (z. B. Röntgenstrahlung oder Ultraviolettstrahlung) und nicht ionisierende Strahlungen (z. B. Infrarotstrahlung), Erschütterungen, Vibrationen, Lärm, Hitze, Kälte oder Nässe.

Diese Auflistung ist jedoch nicht abschließend und nicht hinreichend konkret. Gerade subjektive Faktoren wie Hitze, Kälte oder Nässe sind nur als Oberbegriff erwähnt und es bedarf weiterer Detaillierung. Das Vorliegen von unterschiedlichen Temperaturen innerhalb eines Arbeitsumfeldes und außerhalb, löst zunächst arbeitsorganisatorische Maßnahmen aus, etwa das Tragen ausreichender Schutzkleidung. Tätigkeiten bei minus 25 Grad Celsius lösen eine Pflichtuntersuchung aus.[1] Der Gesetzgeber richtet die Schutzvorschrift in erster Linie an sog. Hitzebetriebe, bei denen hohe Temperaturen unvermeidliche Voraussetzung des Produktionsprozesses sind, wie etwa Härterein, Gießereien, Glashütten etc.

 

Rz. 61

Die Einwirkung von Kälte ist ebenfalls von praktischer Bedeutung bei Herstellung und Vertrieb von Tiefkühlkost, der Betrieb von Verkaufsständen im Freien, bei der Verarbeitung von Fisch oder in Großküchen mit entsprechenden Kühlkammern. Besonders problematisch ist der Wechsel zwischen mehreren Temperaturzonen.

 

Rz. 62

Die Arbeitsstättenverordnung gibt Vorgaben zur Einhaltung von Raumtemperaturen[2] und fordert für Arbeitsräume gesundheitlich zuträgliche Raumtemperaturen und den Schutz gegen übermäßige Sonneneinstrahlung, eine maximal zulässige Temperatur wird aber nicht genannt. Die diese allgemeine Forderung konkretisierende Arbeitsstättenregel ASR A3.5 Raumtemperatur vom Juni 2010 legt im Punkt 4.2 Abs. 3 fest, dass die Lufttemperatur in Arbeits- und Sozialräumen +26 Grad Celsius nicht überschreiten soll. Der "Sommerfall" wird zusätzlich in der ASR A3.5 mit einem gesonderten Punkt. 4.4 geregelt. Hier wird für Außenlufttemperaturen von über +26 Grad Celsius ein Stufenmodell mit zu beachtenden Randbedingungen und nötigen Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten beschrieben. Dabei können die Beschäftigten bei Lufttemperaturen in Arbeitsräumen in den Stufen bis +30 Grad Celsius, bis +35 Grad Celsius und darüber weiter tätig sein, vorausgesetzt der Arbeitgeber ergreift geeignete Schutzmaßnahmen. Trotz dieser neuen Regelungen gibt es für Beschäftigte keinen direkten Rechtsanspruch auf z. B. klimatisierte Räume oder "Hitzefrei". Nach § 4 ArbSchG ist der Arbeitgeber aber verpflichtet, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden wird und verbleibende Gefährdungen gering gehalten werden. Da es bei Raumtemperaturen von über +26 Grad Celsius – wie sie im Sommer in nicht klimatisierten Arbeitsräumen auftreten können – unter bestimmten Umständen (z. B. erhöhte Arbeitsschwere und Bekleidungsisolation) zu einer Gefährdung der Gesundheit kommen kann, sind Schutzmaßnahmen nötig. So sind die damit verbundenen Kreislaufbelastungen für Schwangere besonders kritisch. Randbedingungen und Beispiel werden in der ASR A3.5 genannt. Die Schutzmaßnahmen sind individuell mit einer Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV festzulegen.

 

Rz. 63

Die Arbeitsstättenverordnung regelt bezüglich des Lärms im Anhang unter Ziffer 3.7, dass der Schalldruckpegel in Arbeitsstätten so niedrig zu halten ist, wie es nach Art des Betriebes möglich ist und dass der Schalldruckpegel in Abhängigkeit von der Nutzung und den zu verrichtenden Tätigkeiten so weit zu reduzieren ist, dass keine Beeinträchtigungen der Gesundheit der Beschäftigten entstehen.

Das Gesetz schreibt keinen Grenzwert für die Lärmbelastung (Dezibel) vor. Ein Gefährdungstatbestand kommt immer dann in Betracht, we...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge