Rz. 12

Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Abs. 1 regelt die Unzulässigkeit von Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen während der Schwangerschaft im Hinblick auf Gefahrstoffe unabhängig von Aggregatzuständen und Erscheinungsformen (Gas, Staub, Dämpfe, Rauch) und übernimmt damit im Wesentlichen den Regelungsgehalt der bisher geltenden §§ 4 und 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 MuSchArbV und des früheren § 4 Abs. 1 MuSchG, die zum 31.12.2017 außer Kraft getreten sind.

Der Gesetzgeber hat im Mutterschutzgesetz weitreichende Vorgaben gemacht, welche Belastungen einer gesunden, werdenden Mutter zuzumuten sind und welche auf jeden Fall eine Gefährdung darstellen, sodass im Zweifel eine weitere Beschäftigung verboten ist. Der Regelungskatalog ist zwingend, d. h. der Arbeitgeber darf keine davon abweichende Beurteilung vornehmen.

 

Rz. 13

Adressat der Schutzpflicht aus § 11 ist der Arbeitgeber. Arbeitgeber[1] ist, wer die rechtliche Vertragsbeziehung eingegangen und Empfänger der Arbeitsleistung und zur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist. Das Gesetz ist an den Arbeitgeber adressiert, da dieser die tatsächlichen und materiellen Möglichkeiten hat, die Schutzmaßnahmen umzusetzen. Durch seine Organisationsgewalt[2] (bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern) und sein Direktionsrecht[3] kann der Arbeitgeber die notwendigen Anweisungen erteilen, Beschaffen von Werkzeugen und Gerätschaften vornehmen und auf die Einhaltung von Vorschriften dringen. Er hat damit die Verantwortung für die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse und ihre organisatorische und räumliche Umgebung. Die Verpflichtung nach § 11 trifft den Arbeitgeber unmittelbar. Der Arbeitgeber muss daher unter Ausübung des eigenen Beurteilungs- und Ermessensspielraums eine mögliche Gefährdung ermitteln und daraus die richtigen Schritte (§§ 9, 10, 13 MuSchG) ziehen.

 
Praxis-Tipp

Zuständigkeiten im Konzern festlegen

Gerade in Konzernverhältnissen oder bei Erbringen von Dienstleistungen im Betrieb eines Dritten ist die Klärung, "wer" der für das MuSchG zuständige rechtliche Arbeitgeber ist, ein wichtiger Prüfungsschritt. Nur wer tatsächlich die Arbeitgebereigenschaft besitzt und das Direktionsrecht ausübt, kann Adressat von Anordnungen der Aufsichtsbehörde oder gar Betroffene bei Bußgeldverfahren sein.

Durch vertragliche Regelungen lässt sich die Einhaltung der Schutzpflicht auch in verschachtelten Konstellationen (Matrixorganisation) zweifelsfrei regeln. Durch die formale Übertragung der Arbeitgeberpflichten an Personen mit Leitungsfunktion ist die Verantwortlichkeit zu dokumentieren.

 

Rz. 14

Anknüpfungspunkt ist auch hier die konkrete Tätigkeit und der konkrete Arbeitsplatz. Es gelten die zum Arbeitsplatz gemachten Ausführungen. Arbeitsplatz[4] ist umfassend i. S. v. § 2 Arbeitsstättenverordnung die Beschäftigungsstelle, also der Ort der konkreten Arbeitsleistung[5], der betriebliche Arbeitsplatz, an dem regelmäßig die Arbeitsleistung erbracht werden muss und der im Arbeitsvertrag definiert ist.[6]

Dabei ist die gesetzliche Definition des Arbeitsplatzes in § 2 ArbStättV sehr weit gefasst. Das Betreiben von Arbeitsstätten umfasst das Benutzen, Instandhalten und Optimieren der Arbeitsstätten sowie die Organisation und Gestaltung der Arbeit, einschließlich der Arbeitsabläufe (§ 2 Abs. 10 ArbStättV).

 

Rz. 15

Der im Gesetzestext verwendete Begriff der "Arbeitsbedingungen" ist umfassend zu verstehen, er meint nicht nur die in einem Stellenplan organisatorisch angelegte Funktion; vielmehr ist die konkrete räumliche und organisatorische Situation zu ermitteln, aus der sich Beeinträchtigungsmöglichkeiten für die zu schützende Person ergeben. Damit können auch Einflüsse berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar aus der Tätigkeit oder dem konkreten Arbeitsplatz abgeleitet sind, sich aber aus ergänzenden Sachverhalten und Konstellationen, eben den Arbeitsbedingungen ergeben. Dazu zählt etwa auch die Lage der Arbeitszeit, die räumliche Einbindung in ein Betriebsgelände oder Einflüsse aus vor- und nachgelagerten Fertigungsabschnitten. Der Begriff geht mit der Erfassung des Umfelds über die gesetzliche Definition von "Beschäftigung" nach § 2 Abs. 2 MuSchG hinaus.

 

Rz. 16

Zum Arbeitsplatz gehört auch das betriebliche Umfeld, einschließlich der technischen Einrichtung wie Maschinen und Anlagen sowie die Arbeitsabläufe und konkreten Fertigungsprozesse einschließlich der von der Schwangeren in diesem Rahmen zu erbringenden Arbeitshandlungen und Mitwirkungen körperlicher oder geistiger Art. Beleuchtet wird die Rolle der Arbeitnehmerin im konkreten Produktentstehungsprozess. Die Definition ergibt sich aus § 2 Abs. 4 ArbStättV.

 

Rz. 17

Aber nicht nur die unmittelbare Stätte der Erbringung der Arbeitsleistung, auch Umgebungseinflüsse wie

  • Beleuchtung,
  • Belüftung,
  • Bodenbelag oder
  • Zugänge

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