Rz. 48

Das Mutterschutzgesetz verpflichtet den Arbeitgeber in § 10, eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und dabei mögliche Gefahren zu analysieren und anschließend durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden, zu verringern und deren Auswirkung zu reduzieren. Diese Verpflichtung ist nicht reaktiv, sondern proaktiv. Es muss keine Aktivität oder Antrag der werdenden oder stillenden Mutter vorliegen; der Arbeitgeber ist vielmehr allein durch das Gesetz verpflichtet, eine solche Gefahrenanalyse vorzunehmen und Gefährdungsmöglichkeiten auszuschließen.

  • Grundlage ist der konkrete Arbeitsplatz und die konkrete Tätigkeit der Frau vor dem Hintergrund einer abstrakt möglichen Gefährdungslage durch die Ausübung der Tätigkeit. Dazu zählen die Arbeitsumgebung, der eigentliche Arbeitsplatz, die Arbeitsorganisation und die konkreten Arbeitsschritte, aber auch die Möglichkeit, mit gefährlichen Stoffen in Berührung zu kommen, weil deren Verwendung Teil der Arbeitsaufgabe ist oder eine anderweitige Nähe nicht auszuschließen ist.
  • Zweck der Gefährdungsbeurteilung ist die Abschätzung der Gefahrenlage und die damit verbundene Auswirkung von Gefährdungen auf die besondere körperliche Situation der werdenden oder stillenden Mutter und damit auch auf das werdende und neu geborene Leben. Dies erfolgt auf Basis eines vorausschauenden Erkennens und Bewertens.
  • Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ist neben der Abschätzung der Gefahrenlage auch die Durchführung konkreter Schutzmaßnahmen, um Gefährdungen auszuschließen. Sofern im Ergebnis eine Gefahr vorliegt oder nicht auszuschließen ist, greifen die Beschäftigungsbeschränkungen und -verbote. Hierzu ist kein weiterer Beurteilungsschritt notwendig.
  • Die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung muss der Arbeitgeber vornehmen, da er über die notwendigen Mittel verfügt, um eine umfassende Bewertung auch der vor- und nachgelagerten Arbeitsschritte vorzunehmen. Die Durchführung kann an sachkundige Personen (Sicherheitsfachkraft, Werksarzt) übertragen werden.[1] Die Gefährdungsbeurteilung muss sorgfältig und nach dem Stand der Technik erfolgen. Sie darf nicht auf pauschalen Annahmen und Vermutungen basieren, sondern muss auf konkret im Betrieb festgestellten Tatsachen beruhen. Bei der Möglichkeit einer Gefährdung kommt es nicht auf die tatsächliche Gefahr, sondern deren Eintritt durch besondere Umstände, Fahrlässigkeit oder innere und äußere Einflüsse an.
  • Die Gefährdungsbeurteilung muss spätestens dann erfolgen, wenn eine Schwangerschaft vorliegt, diese also dem Arbeitgeber mitgeteilt wurde. In diesem Fall hat die Gefährdungsbeurteilung unverzüglich zu erfolgen, da ab dem Vorliegen der Schwangerschaft der besondere Schutzanspruch gegeben ist. Im Hinblick auf den Präventivcharakter der Vorschrift, hat eine regelmäßige Beurteilung in Betrieben zu erfolgen, die vor allem weibliche Beschäftigte haben. Dazu gehören Begehungen und auch die Wirksamkeitskontrolle bereits eingeleiteter Maßnahmen.
 
Praxis-Beispiel

Vorbeugende Gefährdungsanalyse

Ein Krankenhaus weist üblich einen hohen Grad an weiblichen Beschäftigten auf. Gleichzeitig ist hier die Möglichkeit einer Gefährdung durch Umgang mit Krankheitserregern, chemischen und medizinischen Gefahrstoffen sowie die Gefahr eines unbeabsichtigten Kontaktes mit diesen Gefahrstoffen hoch. Hier wird in einer regelmäßigen vorbeugenden Gefährdungsanalyse die Vorbereitungen für den Fall einer Schwangerschaft und damit die Möglichkeit einer unmittelbaren Reaktion des Arbeitgebers notwendig sein, um nicht erst nach Meldung einer Schwangerschaft Maßnahmen zu überlegen.

[1] Diese Übertragung der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist nicht zu verwechseln mit der Übertragung der Arbeitgeberpflichten (s. die Beschreibung hierzu oben).

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