Rz. 24

Ergibt – 4. – die Gefährdungsbeurteilung, dass die Sicherheit oder Gesundheit der Frau gefährdet ist und dass diese Gefährdung Auswirkungen auf Schwangerschaft oder Stillzeit haben können, dann muss der Arbeitgeber zunächst versuchen, durch eine Änderung der Arbeitsbedingungen eine Gefährdung auszuschließen. Dies kann eine

  • Änderung der konkret ausgeübten Tätigkeit,
  • der Arbeitsumgebung/des Arbeitsplatzes oder
  • der Arbeitszeiten

sein, um zu verhindern, dass eine Gefährdungslage eintritt. So kann auch eine Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice stattfinden, um ein Infektionsrisiko durch Begegnungen zu vermeiden.

 

Rz. 25

Es geht also hier in erster Linie nicht um die Verringerung einer möglichen Gefahr, sondern um deren Ausschluss. Zu den Arbeitsbedingungen zählen die Umgestaltungsmöglichkeiten nach dem Stand der Technik, der arbeitsmedizinischen Erkenntnisse oder hygienischer Möglichkeiten (z. B. Schutzkleidung). Durch bauliche oder organisatorische Veränderungen kann eine Gefährdungslage verhindert werden.

 

Rz. 26

Dabei gibt § 10 Abs. 1 Nr. 2 die Bewertungsschritte in einer gesetzlich definierten und gestuften Reihenfolge vor: Zunächst ist festzustellen, ob gar keine Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Dies kann nur bei eindeutigen ungefährlichen Arbeitsplätzen, wie etwa Schreibtischarbeitsplätzen, in Betracht kommen. Denkbar sind jedoch auch hier Einflüsse von außen, die nicht aus dem Arbeitsprozess resultieren, sondern etwa durch Umwelteinflüsse oder Dritteinwirkung verursacht sind (z. B. wenn die reinen Büroarbeitsplätze Zugang zu diesen Bereichen hätten).

 
Praxis-Beispiel

Äußere Einflüsse wirken sich auf die Tätigkeit aus

Das Fahren einer Straßenbahn hat zunächst wenig bzw. ungefährliche Einflüsse und keine besonderen Gefahren für Schwangere. Jedoch könnten durch Unfallereignisse von außen Situationen entstehen, die besondere Gefährdungen bergen. Auch sind die vorgeschriebenen Ruhemöglichkeiten im Fahrzeug nicht vorhanden.

 

Rz. 27

Die Gefährdungsbeurteilung kann nach Abs. 1 Nr. 2a ergeben, dass Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Der Gesetzgeber sieht in Abs. 1 Nr. 2b in diesem Fall eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen vor.

 

Rz. 28

Zum Umgestaltungsgebot gehören zunächst alle baulichen Maßnahmen wie etwa der Einbau von Absauganlagen, das Anbringen von Schutzgittern und die Verbesserung von Belüftung, Beleuchtung und Trittfestigkeit. Jedoch sind solche Maßnahmen im Zweifel bereits nach § 5 ArbSchG notwendig, weil die konkrete Situation etwa dem Stand der Technik nicht mehr entspricht.

 

Rz. 29

Dann kommen organisatorische Maßnahmen in Betracht, etwa eine Änderung der Arbeitsabläufe oder Arbeitsschritte unter einer anderen, weniger gefährlichen Beteiligung der Schwangeren. Denkbar sind auch spezifische Arbeitsanweisungen und gezielte Qualifizierungsmaßnahmen.

 

Rz. 30

Als nächster Schritt kommt der Einsatz spezifischer Schutzkleidung (persönlicher Schutzausrüstung) in Betracht als Element (personenbezogene Maßnahmen). Auch die Verlegung oder Reduzierung der Arbeitszeit, um die Dauer einer Belastung auszugleichen, sind geeignete Möglichkeiten.

 

Rz. 31

Der Gesetzgeber geht von einer grundsätzlichen Vereinbarkeit der Erwerbstätigkeit mit dem Mutterschutz aus. Die Teilhabe am Erwerbsleben auch während und nach einer Schwangerschaft ist gesetzgeberisches Ziel. Zu berücksichtigen ist auch das Diskriminierungs- und Nachteilsverbot – § 9 Abs. 1 Satz 3 MuSchG. Ausführliche Erläuterungen s. auch die Kommentierung zur Erforderlichkeit von Maßnahmen in § 9 MuSchG.

 

Rz. 32

Sofern Gefährdungen vorliegen und diese nicht durch eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen so zu reduzieren sind, dass eine verantwortbare Gefährdung vorliegt, ist die Fortführung der Tätigkeit der Frau an diesem Arbeitsplatz nach § 10 Abs. 1 Nr. 2c unmöglich. Dieses schärfste und in der Maßnahmenkette letzte Mittel dient der Vermeidung der Gefährdung durch ein Verbot der Fortführung der Tätigkeit an diesem Arbeitsplatz.

 

Rz. 33

Dies ist kein generelles Tätigkeitsverbot. Ein anderer, ungefährdeter Arbeitsplatz kommt im Rahmen einer zumutbaren Versetzung in Betracht. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bei Durchführung einer Versetzung bleiben unberührt. Der Arbeitgeber hat nicht die Pflicht, einen anderen Arbeitsplatz zu schaffen oder einen vorhandenen Arbeitsplatz freizuräumen. Nach der Systematik des MuSchG regelt § 10 lediglich die Beurteilung einer durchgeführten Gefährdungsanalyse. Diese Beurteilung führt dann zu einer arbeitsrechtlichen Umsetzung und ggf. zur Unmöglichkeit der Fortsetzung des arbeitsvertraglich geschuldeten Einsatzes.

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