1 Überblick

 

Rz. 1

Vorbemerkung: Nach § 1 Abs. 4 gilt das Gesetz nicht nur für Frauen, sondern für alle Personen, die schwanger sind, ein Kind geboren haben oder stillen. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass der Schutz des Mutterschutzgesetzes allen Personen zugutekommt, die seines Schutzes bedürfen, egal mit welchem Geschlecht sie personenstandsrechtlich erfasst sind. Aus Gründen der Vereinfachung wird im Folgenden gleichwohl im Zusammenhang mit dem Geltungsbereich von Frau bzw. der jeweils weiblichen Form gesprochen. Das erscheint gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber selbst nicht die geschlechtsneutrale Diktion durchhält (s. z. B. § 2 Abs. 2 MuSchG). Die sprachlichen Verwerfungen beruhen vor allem darauf, dass im 1. Entwurf des Gesetzes eine Definition der "Frau i. S. d. Gesetzes" in § 2 Abs. 1 MuSchG enthalten war, die jedoch befremdlich war und im Gesetzgebungsverfahren durch § 1 Abs. 4 ersetzt wurde.

 

Rz. 2

§ 1 regelt in seiner ab dem 1.1.2018 geltenden Fassung weiterhin den persönlichen Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes, der in § 1 Abs. 2 bis 4 festgelegt ist und gegenüber der früheren Fassung eine wesentliche Ausweitung des Geltungsbereichs umfasst. Darüber hinaus benennt § 1 Abs. 1 die Ziele, die mit dem Mutterschutzgesetz verfolgt werden.

2 Rechtsgrundlagen des Mutterschutzrechts

2.1 Verfassungsrechtliche Grundlage

 

Rz. 3

Jede Mutter hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 4 GG). Das ist nicht nur ein Programmsatz, sondern ein konkreter, objektiv-rechtlicher Schutzauftrag, aus dem das BVerfG[1] auch die Notwendigkeit eines besonderen Kündigungsschutzes für schwangere Arbeitnehmerinnen abgeleitet hat. Das MuSchG verwirklicht den staatlichen Schutzauftrag, der sich aus Art. 6 Abs. 4 GG ergibt, werdende Mütter besonders zu schützen. Zweck des MuSchG ist der Schutz der schwangeren Frau und ihres werdenden Kindes vor den physischen, aber auch psychischen Gefahren und Belastungen, die davon ausgehen können, dass sie in einem Arbeitsverhältnis steht. Der Schutz wird erweitert auf die Zeit nach der Entbindung, in der die Frau ebenso besonders schutzbedürftig ist und auf die Stillzeit.

[1] BVerfG, Urteil v. 24.4.1991, 1 BvR 1341/90, NJW 1991, 1667.

2.2 Unionsrechtliche Grundlagen

 

Rz. 4

Neben der verfassungsrechtlichen Grundlage des Art. 6 Abs. 4 GG und der bundesrechtlichen Regelungen des MuSchG, des BEEG und ergänzend des SGB gibt es eine Reihe weiterer wichtiger europarechtlicher Grundlagen des Mutterschutzrechtes.

Vorrangig zu nennen ist die Mutterschutz-Richtlinie der Europäischen Union RL 92/85 EWG, die eine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Gewährleistung von Standards zum Schutz von werdenden Müttern aufstellt. Dazu gehören

  • das Verbot, diese Frauen schädlichen Einflüssen an ihrem Arbeitsplatz auszusetzen (Art. 3 bis Art. 6 RL 82/95/EWG),
  • das Verbot der Nachtarbeit (Art. 7 RL 82/95/EWG),
  • Anspruch auf Mutterschaftsurlaub i. S. d. Schutzfristen vor und nach der Geburt (Art. 8 RL 82/95/EWG),
  • Freistellung für Vorsorgeuntersuchungen (Art. 9 RL 82/95/EWG) und
  • das Verbot der Kündigung (Art 10 RL 82/95/EWG).
 
Hinweis

Zweck der EU-Richtlinie bei Auslegung berücksichtigen

Die Vorschriften des MuSchG, die zu den in der RL geregelten Themenkomplexen bestehen, sind daher immer unter Berücksichtigung des Zwecks der Richtlinie auszulegen. Streitfragen gehören daher in die Entscheidungskompetenz des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und können diesem von den Gerichten vorgelegt werden.

 

Rz. 5

Weitere konkrete Beschäftigungsverbote enthalten die Strahlenschutzverordnung, die Röntgenverordnung und die Arbeitsstättenverordnung.

Das Arbeitsschutzgesetz und die ihm zugrunde liegende Richtlinie 89/391/EWG (Arbeitsschutzrahmenrichtlinie) verlangen ebenfalls (§ 5 ArbSchG), aufgrund der angezeigten Schwangerschaft einer Frau, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.[1]

 

Rz. 6

Daneben sieht die RL 2010/41 EU über Erwerbstätige und mithelfende Ehepartner vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass selbstständig erwerbstätige Frauen sowie Ehepartnerinnen im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht ausreichende Mutterschaftsleistungen erhalten können, die eine Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft während mindestens 14 Wochen ermöglichen. Ob die Rechtslage in ausreichendem Maß in deutsches Recht umgesetzt ist, ist im Einzelnen umstritten.[2]

 

Rz. 7

Für den Mutterschutz von Arbeitnehmerinnen ist die RL 2010/41 EU ohne konkrete Bedeutung[3]; möglich erscheint allerdings, dass sie dazu führen kann, dass der Begriff der Arbeitnehmerin[4] nach § 1 weit auszulegen ist und auch arbeitnehmerähnliche Personen erfassen könnte, wenn es um die Frage der Zahlung von Mutterschaftsleistungen durch einen Auftraggeber geht. Dazu gibt es aber keinerlei Rechtsprechung und die Fachliteratur geht nicht davon aus, dass die Rechtslage eine solche Auslegung von § 17 des MuSchG verlangt, sodass für die derzeitige Personalpraxis davon auszugehen ist, dass Vorschriften des MuSchG nicht auf selbstständig erwerbstätige Frauen anzuwenden sind, sofern sie nicht sch...

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