Rz. 70

Die Voraussetzungen für die Anwendung des Mutterschutzgesetzes in persönlicher Hinsicht hat die Person (§ 1 Abs. 4), die sich auf die Geltung des Mutterschutzgesetzes beruft, im Streitfall darzulegen und zu beweisen.

Beruft sich eine Selbstständige darauf, sie sei in Wirklichkeit eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigte, weil Arbeitnehmerin, so kann sie dies von den Arbeitsgerichten in einer sog. Statusklage geltend machen. Für die Umstände, die die Arbeitnehmereigenschaft belegen sollen, trägt sie die Beweislast. Sie kann die Arbeitnehmereigenschaft aber auch inzident im Rahmen einer Klage auf Gewährung von Mutterschaftsleistungen nach §§ 18 ff. MuSchG oder im Rahmen des besonderen Kündigungsschutzes nach § 17 MuSchG prüfen lassen. Die Arbeitnehmereigenschaft ist in diesem Fall eine vom Gericht zu prüfende Vorfrage. Für solche Klagen sind regelmäßig die Arbeitsgerichte zuständig, denn es handelt sich um sog. "Sic-non"-Fälle. Das bedeutet, dass die Tatsachen, die die gerichtliche Zuständigkeit begründen, identisch sind mit den Tatsachen, die die Anwendung des MuSchG selbst begründen, nämlich die Eigenschaft als Arbeitnehmerin.

 

Rz. 71

Ob ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis i. S. v. § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt, haben die Arbeitsgerichte in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Diese an sich sozialversicherungsrechtliche Frage ist von den Arbeitsgerichten als Vorfrage zu prüfen.

Zwar spricht die Gesetzesbegründung davon, dass in Zweifelsfällen Arbeitnehmerin wie Arbeitgeber die Möglichkeit haben, über das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV den Status als sozialversicherungsrechtliche Beschäftigte prüfen zu lassen. Im Gesetz finden sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung durch die Träger der Sozialversicherung für die Arbeitsgerichte bindend ist. § 1 Abs. 2 Satz 1 knüpft nicht daran an, dass durch einen Träger der Sozialversicherung der Status einer Beschäftigung i. S. v. § 7 Abs. 1 SGB IV als Beschäftigte festgestellt worden ist, sondern an das objektive Vorliegen einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung. Daher ist es möglich, dass die Arbeitsgerichte (oder auch die allgemeinen Zivilgerichte: Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft) bei der Prüfung, ob eine Frau in den persönlichen Geltungsbereich des Mutterschutzgesetzes fällt, abweichende Entscheidungen hinsichtlich des Vorliegens eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses treffen. Dieser Fall wird selten sein, denkbar ist jedoch, dass eine solche unterschiedliche Beurteilung erfolgt – und zwar in jeder Hinsicht. Die Arbeitsgerichtsbarkeit kann ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis annehmen, obwohl die Einzugsstelle oder die Deutsche Rentenversicherung Bund kein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis angenommen hat – und ebenso umgekehrt.

 

Rz. 72

Die bereits erfolgte Feststellung eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses nach § 7a SGB IV kann dabei ein wesentliches Indiz im arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit darstellen. Wenn die Person, die sich auf die Geltung des Mutterschutzgesetzes beruft, einen entsprechenden rechtskräftigen Bescheid eines Sozialversicherungsträgers oder eine sozialgerichtliche Entscheidung vorlegt, löst das eine abgestufte Darlegungslast aus. Der Arbeitgeber i. S. d. § 2 Abs. 1 MuSchG trägt die Darlegungslast dafür, dass diese Entscheidung falsch ist.

Erst wenn er das schlüssig darstellen kann, ist es wieder Sache der Frau, das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Einzelnen darzulegen und zu beweisen.

 

Rz. 73

Zuständig sind die Arbeitsgerichte, sofern die Beschäftigung in einem Rechtsverhältnis erfolgt, für das die Arbeitsgerichte zuständig sind. Das richtet sich nach § 2 Abs. 1 ArbGG. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte besteht nicht nur dann, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, sondern nach § 2 Abs. 1 ArbGG auch für Streitigkeiten

  • zwischen Entwicklungshelferinnen und Trägern des Entwicklungsdienstes nach dem Entwicklungshelfergesetz (Nr. 7),
  • zwischen den Trägern der verschiedenen freiwilligen Dienste und dem jeweiligen Freiwilligen (Nr. 8 und Nr. 8a),
  • zwischen behinderten Menschen im Arbeitsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen und den Trägern dieser Werkstätte nach § 221 SGB IX (Nr. 10).

Die Arbeitsgerichte sind nicht zuständig, wenn es sich bei der Frau um ein Organ einer juristischen Person wie eine Geschäftsführerin einer GmbH handelt. Hier sind nach § 5 Abs. 3 ArbGG die ordentlichen Gerichte zuständig. Diese haben dann zu prüfen, ob die Frau in den Geltungsbereich des MuSchG fällt.

Für arbeitnehmerähnliche Personen und Heimarbeiterinnen sind nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auch die Arbeitsgerichte zuständig. Personengruppen nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 8 unterliegen nicht der Arbeitsgerichtsbarkeit, sondern der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Nr. 5) bzw. der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 8).

Es ist zwar denkbar, dass die Frau auch nach §...

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