Rz. 39

Mit Wirkung ab 1.9.2021 hat der Gesetzgeber mit § 2b Abs. 4 BEEG erstmals für Elterngeldberechtigte mit geringfügigen (oder gar negativen) Einkünften aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, deren Kinder nach dem 31.8.2021 geboren bzw. mit dem Ziel der Adoption in den Haushalt aufgenommen worden sind (§ 28 Abs. 1 BEEG in der ab 1.9.2021 geltenden Fassung), ein Antragsrecht bezüglich des Bemessungszeitraums statuiert. Das Antragsrecht gilt nur im Anwendungsbereich der Mischeinkünfte des § 2b Abs. 3 BEEG und bewirkt das Abweichen vom grundsätzlichen Bemessungszeitraum bei Mischeinkünften (letzter abgeschlossener steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt bzw. vor der Adoption) sowie von der grundsätzlichen Zugrundelegung sämtlicher Einkünfte aus (sowohl selbstständiger als auch nichtselbstständiger) Erwerbstätigkeit. Bei Vorliegen der entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen wird dann ausnahmsweise der Bemessungszeitraum der 12 Kalendermonate vor der Geburt bzw. der Adoption entsprechend § 2b Abs. 1 BEEG sowie lediglich die Einkünfte aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit[1] der Elterngeldbemessung zugrunde gelegt. Der Antrag kann sowohl ausdrücklich als auch durch schlüssiges Verhalten (inzident) gestellt werden.

 

Rz. 40

Die Voraussetzungen des ausnahmsweisen, beschränkten Antragsrechts legt § 2b Abs. 4 Satz 1 BEEG fest. Danach ist das Elterngeld allein anhand des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt bzw. der Adoption zu bemessen, wenn die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der Einkünfte der Elterngeldberechtigten aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit im vergangenen Kalenderjahr (Zeitraum nach § 2b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BEEG) und im Kalenderjahr der Geburt in den Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt (Zeitraum nach § 2b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BEEG) jeweils durchschnittlich weniger als 35 EUR im Kalendermonat betrug. Der Durchschnittswert von weniger als 35 EUR im Kalendermonat wird pro Kalenderjahr als Durchschnittseinkommen ermittelt, sodass kalendermonatliche Schwankungen unbeachtlich sind. Im Kalenderjahr der Geburt (Zeitraum nach § 2b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BEEG) fließen nur die Kalendermonate bis vor dem Monat der Geburt bzw. Adoption in die Durchschnittsbildung ein. Die Regelung orientiert sich an § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG, der bei sehr geringen Nebeneinkünften, unter 410 EUR im Jahr, eine Billigkeitslösung hinsichtlich der Verpflichtung der Veranlagung der Einkünfte vorsieht.[2] Anders als im EStG finden in § 2b Abs. 4 Satz 1 BEEG nicht nur Einkünfte eines vollen Kalenderjahres Berücksichtigung, sondern auch unterjährige monatliche Einkünfte, weshalb die Vorschrift eine durchschnittliche monatliche Höhe der Einkünfte von unter 35 EUR als Maßstab für die Unerheblichkeit der Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit vorsieht. Relevant sind nur Einkünfte aus den in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BEEG bezeichneten Einkunftsarten. Anders als bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gemäß § 2d BEEG wird im Rahmen der Bildung der Summe der Einkünfte nach § 2b Abs. 4 Satz 1 BEEG eine Verrechnung mit negativen Einkünften der in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BEEG bezeichneten Einkunftsarten vorgenommen. Beispielsweise werden negative Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb mit positiven Einkünften aus selbstständiger Arbeit oder aus Land- und Forstwirtschaft verrechnet. Anders als bei der Elterngeldbemessung gemäß § 2d BEEG, für die nach Sinn und Zweck nur die positiven Einkünfte zu berücksichtigen sind, wird von der Regelung in § 2b Abs. 4 Satz 1 BEEG explizit das Vorliegen negativer Einkünfte aufgegriffen.

 

Rz. 41

Die Rechtsfolgen des ausgeübten Antragsrechts sind:

  1. Die Verschiebung des Bemessungszeitraums auf den Zeitraum der 12 Kalendermonate vor dem Kalendermonat der Geburt bzw. der Adoption (§ 2b Abs. 4 Satz 1 BEEG).
  2. Die ausschließliche Zugrundelegung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit im (verschobenen) Bemessungszeitraum (§ 2b Abs. 4 Satz 2 BEEG).

§ 2b Abs. 4 Satz 2 BEEG stellt ausdrücklich klar, dass im Anwendungsbereich des Abs. 4 Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit der Höhe nach (in Abweichung von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BEEG) nicht für die Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigten ist. Für die Höhe des Elterngeldes nach der Ausnahmeregelung ist allein das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit maßgeblich. Die Norm hat allerdings keine Auswirkungen auf die Berücksichtigung der Tätigkeit im Bezugszeitraum. Im Bezugszeitraum nach § 2 Abs. 3 BEEG ist die Tätigkeit nach Art, Umfang und Höhe der Einkünfte ohne Ausnahmetatbestand zu berücksichtigen. § 2b Abs. 4 Satz 2 BEEG soll dem Bürokratieabbau dienen[3], weil wegen der Berücksichtigung allein des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit der für die Berücksichtigung selbstständigen Einkommens notwendige Verwaltungsaufwand entfalle, sodass auf der Grundla...

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