Rz. 30

Für die Sonderkonstellationen der Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit, in denen die zum Elterngeldbezug berechtigte Person entweder im 12-Kalendermonatszeitraum nach Abs. 1 oder im Bemessungszeitraum nach Abs. 2 auch Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt hatte (sog. Fall von "Mischeinkünften"), ist ebenfalls der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt maßgeblich.

 

Rz. 31

Abs. 3 Satz 1 zieht daher, abweichend von der allgemeinen Regelung des Abs. 1 Satz 1, das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit quasi nach, wenn die beiden Einkunftsarten in der in § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG beschriebenen Weise parallel bezogen worden sind. Hintergrund dieser – zutreffend als "Kollisionsregel"[1] bezeichneten – Regelung ist einerseits, dass andernfalls etwa bei einem ehemals selbstständig Tätigen, der in ein Arbeitsverhältnis wechselt, Einkünfte aus mehr als 12 Monaten berücksichtigt würden. Außerdem sollen sich andererseits die Elterngeldstellen auf die steuerrechtlichen Feststellungen der Finanzämter beziehen können und nicht selbst unter Anwendung steuerrechtlicher Grundsätze das Einkommen ermitteln müssen und so zu zweiten Finanzämtern mutieren. Die Regelung dient damit der Verwaltungsvereinfachung (1. Zweck), stellt den Grundsatz der Deckungsgleichheit der Bemessungsräume bei Einkommen aus sowohl nichtselbstständiger als auch selbstständiger Erwerbstätigkeit sicher (2. Zweck) und gewährleistet, dass im maßgeblichen Bemessungszeitraum das Einkommen aus Erwerbstätigkeit jeweils vollständig erfasst wird (3. Zweck).[2] Aus diesen Gründen wird in Abs. 3 Satz 1 der Vorrang des Ermittlungszeitraums für selbstständige Erwerbstätigkeit angeordnet. Das ist konsequent, weil Bezugspunkt des Elterngeldes das nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelte Nettoeinkommen (§ 2 Abs. 1 BEEG) ist. Wird nur Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt, ergibt sich das maßgebliche Nettoeinkommen aus der Lohn- oder Gehaltsbescheinigung und kann ohne größeren Aufwand erfasst werden. Wird hingegen Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt, ist die Ermittlung des Überschusses schwieriger und soll nach der Intention des Gesetzgebers allein von den Finanzämtern vorgenommen werden, da sie die insoweit sachnächsten und fachkundigsten Behörden sind. Daraus ergibt sich, dass nur auf abgeschlossene Veranlagungszeiträume abgestellt werden kann, also auf das letzte Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes.

 

Rz. 32

Die Norm greift deshalb grundsätzlich in allen Fällen ein, in denen in den maßgeblichen Zeiträumen beide Arten von (und sei es auch negativen[3]) Erwerbseinkünften erzielt worden sind; zunächst unabhängig davon, wie hoch die Einkünfte im Einzelfall sind oder ob eine Einkunftsart prägend und die andere lediglich (quantitativ betrachtet) geringfügig ist[4]. Der gegenteiligen Ansicht, die für die Fälle, in denen die Anwendung des § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG und damit des früheren Bemessungszeitraums wegen der auch selbstständigen Einkünfte zu einem mehr als 20 % geringeren monatlichen Elterngeldanspruch führt und einen erheblichen, verfassungsrechtlich nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang stehenden, Nachteil für den Elterngeldberechtigten annahm[5], war das BSG zu Recht[6] nicht gefolgt, weil für ein Absehen von § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG in diesen Konstellationen – bis zur gesetzlichen Neukonzipierung eines beschränkten Ausnahmetatbestandes in § 2b Abs. 4 BEEG mit Inkrafttreten am 1.9.2021 – keine gesetzliche Regelung existierte[7]. Denn das berechtigte Anliegen des Gesetzgebers, die Berechnung von Elterngeld zu vereinfachen und die zuständigen Behörden gerade nicht zu zweiten Finanzämtern mutieren zu lassen, rechtfertigte es auch in atypischen Fällen keine Einzelfallgerechtigkeit walten zu lassen, sondern typisierenden Regelungen im Interesse eines effizienten Verwaltungsvollzugs den Vorrang einzuräumen. Komplizierte Vergleichsberechnungen hingegen würden das gesetzgeberische Konzept der Verwaltungsvereinfachung weitgehend vereiteln. Für die Anwendung des § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG reichte es dabei sogar aus, dass lediglich (auch) eine selbstständige Erwerbstätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wurde. Es war dabei nicht erforderlich, dass die aus dieser selbstständigen Tätigkeit erzielten Erwerbseinkünfte positiv waren, also einen lohnsteuerrechtlichen Gewinn beinhalteten.[8] Der Einkommensbegriff des BEEG erfasst, soweit es die Bestimmung des Bemessungszeitraums betrifft, vielmehr auch negative Einkommensbeträge.[9] Diese weite Begriffsauslegung ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht, insbesondere unter Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG, nicht zu beanstanden, weil die in Einzelfällen sich daraus ergebenden Härten durch die Befugnis des Gesetzgebers gedeckt sind, im Interesse eines effizienten Verwaltungsvollzugs typisierende Regelungen zu erlassen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber nunmehr mit Wirkung ab 1.9.2021 für spezifische Ausna...

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