1 Allgemeines

1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Mit dem am 1.1.2007 in Kraft getretenen Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) wurde die frühere Vorschrift des § 19 BErzGG inhaltsgleich übernommen und ist seitdem nicht geändert worden.

1.2 Zweck und Systematik

 

Rz. 2

Bei § 19 handelt es sich nicht nur um die Regelung einer besonderen Kündigungsfrist, die im Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende der Elternzeit einzuhalten ist, die Vorschrift gewährt dem elternzeitberechtigten Arbeitnehmer vielmehr ein fristgebundenes Sonderkündigungsrecht.[1] Dabei kommt der Regelung eine doppelte Zweckrichtung zu:

Zum einen wird dem Interesse der Elternzeitberechtigten an einer kontinuierlichen Kinderbetreuung Rechnung getragen. Diese brauchen etwaige längere tarifliche oder arbeitsvertragliche Kündigungsfristen nicht einhalten.

Zum anderen dient die Vorschrift aber auch dem Interesse des Arbeitgebers an einer vorausschauenden und verlässlichen Personalplanung. Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit kündigen, so muss er die 3-monatige Kündigungsfrist des § 19 einhalten, auch wenn für ihn an sich eine kürzere gesetzliche Frist gelten würde. Dies gilt vorbehaltlich der Möglichkeit des Arbeitnehmers, während der Elternzeit jederzeit mit der für ihn maßgeblichen Kündigungsfrist zu einem anderen Termin zu kündigen.

 
Praxis-Beispiel

Berechnung der Kündigungsfristen

Die Elternzeit endet am 17.5.2023. Will der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis genau zu diesem Termin kündigen, muss er dazu die Frist von 3 Monaten einhalten. Er kann aber auch unter Einhaltung der Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 4 Wochen zum 30.4., 15.5. oder 31.5.2023 kündigen.

Variante: Die Elternzeit endet am 8.5.2023. Die Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer beträgt aufgrund wirksamer arbeitsvertraglicher Regelung 4 Monate zum Monatsende (§ 622 Abs. 6 BGB). Der Arbeitnehmer will das Arbeitsverhältnis zum 8.5.2023 kündigen. Das kann er mit einer Frist von 3 Monaten, während eine ordentliche Kündigung zum 30.4. oder 31.5.2023 nur mit einer Frist von 4 Monaten möglich wäre.

[1] BAG, Urteil v. 16.10.1991, 5 AZR 35/91, AP BErzGG § 19 Nr. 1.

2 Anwendungsbereich

 

Rz. 3

Die gesetzliche Regelung ist aufgrund ihrer doppelten Schutzrichtung zwingend und kann insbesondere nicht durch eine arbeitsvertragliche Regelung ausgeschlossen oder abgeändert werden. Dies gilt auch für eine Verkürzung der Kündigungsfrist. Allerdings steht es dem Arbeitgeber frei, ob er nach Zugang der Kündigung auf die Einhaltung der 3-Monatsfrist verzichtet.

§ 19 verbietet nicht den Abschluss eines Aufhebungsvertrags, die Vorschrift erfasst ihrem Wortlaut nach nur Kündigungen. Allerdings besteht dann das Risiko einer Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld nach § 159 SGB III. Schließt eine Arbeitnehmerin während der Elternzeit einen Aufhebungsvertrag bezüglich eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, kann sie sich nicht auf einen wichtigen Grund berufen, solange ihr nicht zum konkreten Beendigungszeitpunkt eine arbeitgeberseitige Kündigung gedroht hat. Nach Auffassung des Hessischen Landessozialgerichts[1] wird der besondere Kündigungsschutz des § 18 BEEG nicht dadurch unterlaufen, dass eine Arbeitnehmerin bei ihrer freien Entscheidung zu einer vorzeitigen Aufgabe des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft eine Sperrzeit hinnehmen muss.

Auch die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung des Elternzeitberechtigten wird durch § 19 nicht ausgeschlossen, eine solche kommt aber nur unter den strengen Voraussetzungen des § 626 BGB in Betracht und erfordert im Regelfall eine vorherige Abmahnung durch den Elternzeitberechtigten.

Erfolgt die Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes aufgrund einer tarifvertraglichen[2], einzelvertraglichen Regelung oder einer Regelung in einer Betriebsvereinbarung, so ist § 19 BEEG nicht anwendbar. Allerdings kann die entsprechende Anwendung der Vorschrift in der Regelung vereinbart werden.

 

Rz. 4

Das Kündigungsrecht steht allen nach § 15 BEEG anspruchsberechtigten Arbeitnehmern zu, die den Anspruch auf Elternzeit zumindest nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG wirksam geltend gemacht haben[3], dagegen ist es nicht erforderlich, dass die Elternzeit auch bereits angetreten wurde. Zum Zeitpunkt der Geltendmachung müssen die Anspruchsvoraussetzungen aber noch vorliegen. Bei wechselnder Elternzeit wird das Sonderkündigungsrecht beiden Elternteilen eingeräumt, wobei es jeweils aber nur für den letzten Abschnitt gilt.[4]

 
Praxis-Beispiel

Die Eltern teilen sich die Elternzeit auf: Die Mutter nimmt sie im ersten und dritten, der Vater im zweiten Lebensjahr des Kindes in Anspruch. Was hat dies für Auswirkungen für das Kündigungsrecht nach § 19?

Der Vater kann das Kündigungsrecht des § 19 zum Ende des zweiten Lebensjahres des Kindes, die Mutter nur zum Ende des dritten Lebensjahres ausüben.

Erfasst werden von der Vorschrift sowohl Vollzeitkräfte als auch Teilzeitkräfte i. S. d. § 18 Abs. 2 Nr. 1 BEEG, die während der Elternzeit bei ihrem Arbeitgeber ein...

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