Rz. 110

Berechtigte i. S. d. § 1 dürfen entweder keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben. Die Vorschrift stellt mit dem Begriff der Erwerbstätigkeit auf alle im Erwerbsleben stehenden Personen ab. Erwerbstätigkeit ist eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Tätigkeit. Sie kann als abhängige Beschäftigung, als Tätigkeit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, als selbstständige Tätigkeit oder durch die Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger ausgeübt werden. Sogar bei einer im Rahmen des Strafvollzugs ausgeübten Beschäftigung wird eine Erwerbstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 6 BEEG bejaht.[1]

 

Rz. 111

Für die Einhaltung der 32-Stunden-Grenze ist keine Arbeitszeitreduzierung erforderlich. Auch Personen, die vor der Geburt nicht erwerbstätig waren, sind dem Grunde nach anspruchsberechtigt, da sie nicht voll erwerbstätig sind. Für die Anspruchsberechtigung genügt es, dass die Beschäftigung die Zeitgrenze nicht übersteigt. Aber: Ohne Arbeitszeitreduzierung wird es regelmäßig an einer Verringerung des zu ersetzenden Einkommens fehlen; es kommt dann aber der Bezug von Mindestelterngeld in Betracht (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG).

 

Rz. 112

Für die Anspruchsberechtigung setzt Abs. 6 in seiner ersten Alternative eine Arbeitszeitgrenze, bis zu der die Erwerbstätigkeit "keine volle Erwerbstätigkeit" i. S. d. BEEG ist. Sobald die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Bezugsmonat die Grenze von 32 Stunden übersteigt, besteht für diesen Anspruchszeitraum dem Grunde nach kein Anspruch auf Elterngeld mehr. Maßgeblich sind die tatsächlich gearbeiteten Stunden im jeweiligen Lebensmonat, für den Elterngeld beansprucht wird.[2] Nicht entscheidend ist somit, ob der Berechtigte eine durchschnittliche Arbeitszeit von 32 Wochenstunden im Kalendermonat aufweisen kann.

 
Hinweis

Lebensmonate des Kindes sind entscheidend

Das Abstellen auf Lebensmonate des Kindes anstelle von Kalendermonaten kann im Einzelfall abrechnungstechnisch nur schwierig umzusetzen sein. Der hiermit verbundene Aufwand für Arbeitgeber wird jedoch für vertretbar erachtet.[3]

Die 32-Stunden-Grenze gilt unabhängig von der Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit. Für die große Gruppe der abhängig Beschäftigten (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV) gelten für eine vollschichtige Tätigkeit tarifliche Wochenarbeitszeiten von z. B. 35 Stunden in der Metall- und Elektroindustrie. In solchen Fällen genügt schon die verhältnismäßig geringe Reduzierung der Arbeitszeit, um Anspruch auf Elterngeld zu haben (speziell zur Arbeitszeitberechnung von Lehrern: BSG, Urteil v. 10.2.2005, B 10 EG 5/03 R[4]).

 

Rz. 113

Wer aufgrund einer (bezahlten/endgültigen) Freistellung von der Arbeitsleistung durch seinen Arbeitgeber einer Arbeit tatsächlich nicht nachgeht, übt keine Erwerbstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 aus.[5] Nach der Rechtsprechung des BSG führt die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub im unverändert fortbestehenden Arbeitsverhältnis nicht dazu, dass keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.[6] Hingegen hatte vorinstanzlich das BayLSG die Ausübung einer Erwerbstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 6 bei der Inanspruchnahme von (bezahltem) Erholungsurlaub abgelehnt und folglich einen Anspruch auf Elterngeld bejaht, da ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeitspflicht freizustellen habe und allein das unveränderte Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses nicht zum Ausüben einer Erwerbstätigkeit führe.[7]

 

Rz. 114

Ebenfalls ohne eine abschließende Festlegung zu treffen, hat das BSG ausgeführt, dass vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und der angestellten Überlegungen zum Bezug von Elterngeld bei Freistellung von der Arbeitsleistung ein Anspruch auf Elterngeld auch bei Inanspruchnahme eines Sabbaticals (Sabbatjahres) bestehen könne.[8]

 

Rz. 115

Mehrere Erwerbstätigkeiten, also z. B. die Ausübung einer nichtselbstständigen sowie einer selbstständigen Tätigkeit, sind in Bezug auf die aufgewendete Arbeitszeit zusammenzurechnen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ArbZG). Eine Beschäftigung zur Berufsausbildung oder eine Tätigkeit als Tagespflegeperson (§ 1 Abs. 6 Alt. 2 und 3 BEEG) gilt nicht als Erwerbstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 6 und wirkt sich folglich auf die 32-Stunden-Grenze nicht aus.[9]

 

Rz. 116

Bezugszeitraum: Die 32-Stunden-Grenze wird im Durchschnitt eines Lebensmonats berechnet. Das bedeutet, dass auch eine wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 32 Stunden möglich ist, wenn sie innerhalb des Bezugszeitraums so ausgeglichen wird, dass die 32-Stunden-Grenze im Durchschnitt nicht überschritten wird. Arbeitszeit ist die Zeit zwischen Beginn und Ende der Arbeit ohne Ruhepausen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ArbZG).

 
Praxis-Beispiel

Keine Überschreitung der 32-Stunden-Grenze

Frau A arbeitet in der Chipherstellung. Vertraglich liegt die Wochenarbeitszeit bei 25 Stunden. Wegen eines Großauftrags wird im 3. Lebensmonat des Kindes Mehrarbeit geleistet. Sie arbeitet ...

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