Rz. 6

Bei dem Urlaub nach § 208 SGB IX handelt es sich um "Zusatz"-Urlaub. D. h., er kommt zu dem Erholungsurlaub hinzu und ist regelmäßig mit diesem zusammen zu gewähren. Ein Anspruch auf den vollen Zusatzurlaub besteht deshalb z. B. erst, wenn die für den regulären Erholungsurlaub maßgebliche 6-monatige Wartezeit erfüllt ist.[1] Da der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte, abgesehen von dem Merkmal der Schwerbehinderteneigenschaft, hinsichtlich seines Entstehens und Erlöschens dem Anspruch auf Erholungsurlaub folgt (so bereits BAG, Urteil v. 18.10.1957, 1 AZR 437/56[2]), muss er auch innerhalb des jeweiligen Urlaubsjahres oder bei Vorliegen der tarifvertraglichen oder gesetzlichen Übertragungsvoraussetzungen bis zum Ende des Übertragungszeitraums geltend gemacht werden. Geschieht dies nicht, erlischt er mit Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums (BAG, Urteil v. 28.1.1982, 6 AZR 639/79[3]).

Der gesetzliche Erholungsurlaub (§§ 1, 3 BUrlG) und der schwerbehinderten Menschen zustehende Zusatzurlaub setzen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus (BAG, Urteil v. 7.8.2012, 9 AZR 353/10, Rz. 8[4]). Der Anspruch auf Zusatzurlaub entsteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft (BAG, Urteil v. 7.8.2012, 9 AZR 353/10, Rz. 9[5]). Der Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen steht dann nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien (BAG, Urteil v. 8.3.1994, 9 AZR 49/93[6]). Soweit tarifliche Regelungen eine Kürzung der Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat des Ruhens der Arbeitspflicht vorsehen (z. B. § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD), ist dies unwirksam. Die Verminderung gesetzlicher Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern und schwerbehinderten Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeitsleistung erbracht haben, ist generell unzulässig (BAG, Urteil v. 7.8.2012, 9 AZR 353/10).

Allerdings besteht für Zeiten des unbezahlten Sonderurlaubs grundsätzlich kein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub (BAG, Urteil v. 19.3.2019, 9 AZR 406/17) und damit auch nicht auf den gesetzlichen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen. Der Zeitraum des unbezahlten Sonderurlaubs ist bei der Berechnung des (Zusatz-)Urlaubsanspruchs regelmäßig mit "null" Arbeitstagen in Ansatz zu bringen. Einem Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet und im gesamten Kalenderjahr von der Arbeitspflicht entbunden ist, steht mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Schwerbehindertenzusatzurlaub zu. Die Freistellungsphase ist – wie beim gesetzlichen Urlaub nach § 3 BUrlG – mit "null" Arbeitstagen in Ansatz zu bringen (vgl. BAG, Urteil v. 24.9.2019, 9 AZR 481/18). Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten berechnet werden. Dabei besteht für jeden vollen Monat der Arbeitsphase Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs (§ 208 Abs. 2 SGB IX analog).[7]

Der Anspruch auf Zusatzurlaub ist unabhängig von der Dauer des Erholungsurlaubs. Ein Anspruch auf Zusatzurlaub besteht also z. B. auch dann, wenn der Erholungsurlaub höher ist als der gesetzliche Mindesturlaub nach dem BUrlG. Der Zusatzurlaub stockt nicht lediglich den gesetzlichen Mindesturlaub nach § 3 BUrlG auf. Das ergibt nach Auffassung des BAG schon der Wortlaut. Nach allgemeinem Sprachverständnis wird unter "Zusatz" eine Zutat verstanden. Einer bereits vorhandenen Menge wird etwas hinzugefügt. "Zusätzlich" bedeutet nichts anderes als "außerdem" oder "extra". Geht es um die Begründung eines "zusätzlichen" Anspruchs, so setzt das notwendig einen bereits bestehenden Anspruch voraus. An diesen knüpft die zusätzlich zu gewährende Leistung an. Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf mehr Urlaubstage als gesetzlich bestimmt, so kann von einem "zusätzlichen" Urlaub nur dann gesprochen werden, wenn er dem Urlaub hinzutritt, den der Arbeitnehmer ohne seine Behinderung verlangen kann (BAG, Urteil v. 24.10.2006, 9 AZR 669/05). Ist die Urlaubsdauer weder arbeitsvertraglich geregelt noch insoweit tarifvertragliche Bestimmungen anzuwenden, so sichern § 3 BUrlG bzw. für Jugendliche § 19 JArbSchG den "Grundurlaub" dem der Zusatzurlaub hinzutritt. Werden ohne ausdrückliche einzelvertragliche Regelung betrieblich mehr als 20 (5-Tage-Woche) bzw. 24 Werktage (6-Tage-Woche) gewährt, ist dieser Urlaub für den schwerbehinderten Menschen der Grundurlaub, dem der Zusatzurlaub hinzutritt (BAG, Urteil v. 24.10.2006, 9 AZR 669/05).

[1] S. hierzu Tillmanns, § 4 BUrlG, Rz. 12 ff.
[2] AP Nr. 2 zu § 33 SchwBeschG.
[3] BAGE 37, 379, zu 3a der Gründe m. w. N.
[4] NZA 2012, 1216.
[5] NZA 2012, 1216 für den Fall von § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD i. V. m. § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD.
[6] Zu 3.2 der Gründe, ...

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