1 Vorbemerkung

 

Rz. 1

Bei dem in § 99 BetrVG geregelten Beteiligungsrecht des Betriebsrats handelt es sich entgegen des Wortlauts nicht um eine echte "Mitbestimmung" des Betriebsrats. Dieses Mitbestimmungsrecht besteht nur dann, wenn sich – wie im Rahmen des § 87 BetrVG – Arbeitgeber und Betriebsrat über die Durchführung einer Maßnahme einig sein müssen oder die Einigung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird. Im Rahmen der personellen Einzelmaßnahmen hat der Betriebsrat aber weder ein Initiativrecht noch kann die Einigungsstelle angerufen werden. Der Betriebsrat hat lediglich das Recht, die Zustimmung zu verweigern, § 99 Abs. 2 BetrVG, die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung treffen die Arbeitsgerichte. Zudem hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die in § 99 BetrVG genannten Maßnahmen vorläufig durchzuführen (§ 100 BetrVG).

 

Rz. 2

Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen sind in den §§ 99–105 BetrVG abschließend aufgezählt. Sie stehen dem Betriebsrat nicht nur im Interesse des einzelnen von der personellen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers, sondern auch im Interesse der Gesamtbelegschaft, also im kollektiven Interesse zu. Dies wird z. B. dadurch deutlich, dass nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ein Zustimmungsverweigerungsrecht auch besteht, wenn durch eine personelle Maßnahme andere Arbeitnehmer benachteiligt werden. Der Betriebsrat hat dann kollektive und Individualinteressen gegeneinander abzuwägen.[1]

 

Rz. 3

Der Arbeitgeber hat bei jeder personellen Maßnahme zu jeder Maßnahme getrennt und unabhängig voneinander die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Verweigert dieser die Zustimmung, muss er beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung beantragen. Bei betriebsübergreifenden Versetzungen von betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträgern ist die Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs gem. § 103 Abs. 2 BetrVG sowie die Zustimmung des Betriebsrats des aufnehmenden Betriebs gem. § 99 BetrVG einzuholen.[2]

[1] DKKW/Bacher, § 99 Rz. 4.

2 Geltungsbereich

2.1 Größe des Unternehmens

2.1.1 Anzahl der Arbeitnehmer

 

Rz. 4

Die Vorschriften der §§ 99–101 BetrVG gelten im Gegensatz zu den §§ 102–104 BetrVG nur in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Abzustellen ist auf die Zahl der Arbeitnehmer im gesamten Unternehmen, unabhängig davon, ob in den einzelnen Betrieben ein Betriebsrat gewählt worden ist oder nicht. Auch sind die in § 7 Satz 2 BetrVG genannten Wahlberechtigten dazuzuzählen.

 

Rz. 5

Nach der neuen Rechtslage kommt es für die Anwendbarkeit des § 99 BetrVG also nicht mehr darauf an, dass ein Betriebsrat vorhanden ist, der aus mindestens 3 Personen besteht. In einem Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 Wahlberechtigten stehen also jedem dort bestehenden Betriebsrat die Rechte aus §§ 99 ff. BetrVG zu.

 

Rz. 6

Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG sind die nach dem AÜG überlassenen Leiharbeitnehmer bei der Berechnung des Schwellenwertes in § 99 BetrVG zu berücksichtigen.[1] Wird eine DRK-Schwester im Rahmen eines Gestellungsvertrags in einem von einem Dritten betriebenen Krankenhaus eingesetzt, so wird sie als Leiharbeitnehmerin eingesetzt (BAG, Beschluss v. 21.2.2017, 1 ABR 62/12[2]) und ist als solche nach § 7 Satz 2 BetrVG zum Betriebsrat des Einsatzbetriebs wahlberechtigt und zählt dort mit.

Bei der Ermittlung der "regelmäßig" beschäftigten Arbeitnehmer ist nicht erforderlich, dass es sich um ständig beschäftigte Arbeitnehmer handelt; auch nur vorübergehend eingestellte Arbeitnehmer werden in die Berechnung einbezogen, sofern sie zeitlich hintereinander auf einem Arbeitsplatz tätig werden.[3] Unter derselben Voraussetzung werden auch Teilzeitbeschäftigte als Person und nicht entsprechend ihrer Arbeitszeit mitgezählt.[4]

[1] Fitting, § 99 Rz. 8b.
[2] NZA 2017, 662.
[3] Fitting, § 99 Rz. 11.
[4] Richardi, § 99 Rz. 14.

2.1.2 Gemeinsamer Betrieb

 

Rz. 7

Führen mehrere Unternehmen mit i. d. R. weniger als 21 Arbeitnehmern einen gemeinsamen Betrieb[1] mit i. d. R. mehr als 20 Arbeitnehmern, stehen dem Betriebsrat in dem gemeinsamen Betrieb die Beteiligungsrechte nach §§ 99 ff. BetrVG zu, nicht jedoch den Betriebsräten in den jeweiligen Betrieben der einzelnen Unternehmen.[2] § 99 BetrVG stellt ausschließlich auf das Unternehmen ab, eine dem § 7 Satz 2 BetrVG entsprechende Vorschrift fehlt. Dem Grundgedanken des § 7 Satz 2 BetrVG kann zwar entnommen werden, dass ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber nicht mehr zwingende Voraussetzung für die Unternehmenszugehörigkeit ist[3], dies führt aber nicht dazu, dass Betriebsräte in Betrieben, die nicht Teil eines gemeinsamen Betriebs sind, die Rechte aus §§ 99 ff. BetrVG zustehen.

 
Praxis-Beispiel

Unternehmen A hat einen Betrieb 1 (9 Arbeitnehmer) und einen Betrieb 2 (8 Arbeitnehmer), Unternehmen B einen Betrieb 3 (13 Arbeitnehmer) und einen Betrieb 4 (6 Arbeitnehmer). Betrieb 1 und Betrieb 3 bilden einen gemeinsamen Betrieb der Unternehmen A und B. Dem für diesen Betrieb gewählten Betriebsrat stehen die Beteiligungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen zu, nicht jedoch...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge