Rz. 8

Beide Betriebsparteien sind verpflichtet, die Berufsbildung im Betrieb zu fördern. Hieraus erwächst dem einzelnen Arbeitnehmer indes kein individueller Anspruch darauf, an einer Berufsbildungsmaßnahme teilnehmen zu dürfen. Vielmehr entscheidet der Arbeitgeber – abgesehen von dem Sonderfall des § 97 Abs. 2 BetrVG – allein, ob eine Berufsbildungsmaßnahme durchgeführt wird. Der Betriebsrat hat den Arbeitgeber jedoch darauf zu drängen, mit ihm über die Berufsbildung im Betrieb zu sprechen und – soweit erforderlich – derartige Maßnahmen innerhalb oder außerhalb des Betriebs durchzuführen (§ 96 Abs. 2 BetrVG). Sofern eine innerbetriebliche Personalplanung besteht, ist das Thema Berufsbildung in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen, da beide Aspekte eng miteinander verknüpft sind. Die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte aus § 96 BetrVG steht in Bezug auf die Leiharbeitnehmer allein dem Betriebsrat des Verleiherbetriebes zu (LAG Hamburg, Beschluss v. 31.10.2012, 5 TaBV 6/12).

 

Rz. 9

Der Betriebsrat kann gemäß § 96 Abs. 1 BetrVG verlangen, dass vor oder im Zuge der Beratung der Arbeitgeber den Berufsbildungsbedarf ermittelt. Hiermit hat der Arbeitgeber nicht nur eine Pflicht, vorhandenes Wissen weiterzugeben, sondern auch sich Informationen zu verschaffen. Die danach zu erteilenden Informationen und Auskünfte sind "auf Verlangen" des Betriebsrates zu erteilen, deshalb ist eine Verurteilung des Arbeitgebers zu einer zukünftigen Leistung, bspw. "einmal im Jahr" diese Auskünfte zu erteilen nicht möglich. Eine nur mündliche Information über den Berufsbildungsbedarf und eine mündliche Beratung sind ausreichend.[1] Auch mit Blick auf die digitale Weiterbildung hat der Arbeitgeber auf Verlangen des Betriebsrats nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln, um mit dem Betriebsrat Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer des Betriebs zu beraten.[2]

 

Rz. 9a

Die Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs[3] erfolgt nach Durchführung einer Ist- und Soll-Analyse (ArbG Hamburg, Beschluss v. 2.5.2011, 26 BV 23/09[4]). Gegenüberzustellen sind die zukünftigen Anforderungen an die Arbeitsplätze und die hierzu erforderlichen Qualifikationen einerseits und das aktuelle Qualifikationsniveau des Personals andererseits. Die Differenz zu den vorhandenen Qualifikationen der Mitarbeiter ergibt sodann den Bildungsbedarf.[5] Zu der Feststellung des Ist-Zustandes gehört die Angabe des aktuellen Personalbestands und des aktuellen Qualifikationsniveaus (ArbG Hamburg, Beschluss v. 2.5.2011, 26 BV 23/09[6]). In der Wahl der Methode zur Bedarfsermittlung ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Berufsbildungsbedarf seiner Arbeitnehmer zu ermitteln, besteht jedoch zumindest solange fort, wie der Arbeitgeber noch nicht einmal den Ist-Zustand ordnungsgemäß festgestellt hat (ArbG Frankfurt, Beschluss v. 13.8.2008, 7 BV 207/08[7]). In diesem Zusammenhang hat der Arbeitgeber ebenfalls den Personalstand und die Fluktuation zu berücksichtigen, da das Ausscheiden von (qualifizierten) Arbeitnehmern unmittelbaren Einfluss auf das Qualifikationsniveau der Belegschaft hat. Diese unmittelbare Verbindung zur Personalentwicklungsplanung durchbricht den Grundsatz von § 92 BetrVG, wonach der Arbeitgeber zur Personalplanung nicht verpflichtet ist. Auch wenn der Betriebsrat grundsätzlich nicht berechtigt ist, aufgrund seiner Informationsrechte den Arbeitgeber zur Erstellung von Unterlagen zu verpflichten, über die der Arbeitgeber nicht verfügt, ist der Anspruch des Betriebsrats zur Erstellung einer namentlichen Liste aller beschäftigter Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden, in der die auf die auszuübende Tätigkeit bezogenen vorhandenen Qualifikationen jeweils bezogen auf die einzelnen Arbeitnehmer angegeben werden, begründet, da § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG über die dem Betriebsrat grundsätzlich gezogene Grenze hinausgeht. Dies gilt, soweit die betreffende Unterlage erforderlich ist, damit der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nachkommt, den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln (LAG Hamburg, Beschluss v. 18.1.2012, 5 TaBV 10/11[8]).

 

Rz. 10

Nach § 96 Abs. 1 Satz. 2 BetrVG muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf ermitteln und mit diesen Fragen der Berufsbildung den Arbeitnehmer des Betriebs beraten. Das Beteiligungsrecht gewährt dem Betriebsrat jedoch z. B. keinen Anspruch auf Mitteilung der Ergebnisse einer Testkaufserie, mit der mögliche Defizite bei der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Arbeitnehmer gegenüber Kunden aufgezeigt werden sollten. Das BAG hat einen derartigen Anspruch mit der Begründung verneint, dass Maßnahmen der Berufsbildung allein solche sind, die dem Arbeitnehmer gezielt Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln, die ihn zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit befähigen und es ermöglichen, die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten. Die Durchführung einer Testkaufserie erfüllt den Begriff der beruflichen Bildung jedoch nicht. I...

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