Rz. 117

Der Begriff der Überwachung umfasst verschiedene Vorgänge: die Datenerhebung und die Datenverarbeitung.

Der erste Schritt ist die Datenerhebung. Hier greift das Mitbestimmungsrecht dann ein, wenn mittels technischer Einrichtung Daten gesammelt werden, die Auskunft über Verhalten oder Leistung einzelner Arbeitnehmer geben. Notwendig ist hier, dass die Daten technisch erhoben werden. Auf die Art der Auswertung kommt es nicht an. Beispiel: die Tonbandaufzeichnung, die durch reines Abhören des Bandes ausgewertet wird.

 

Rz. 118

Die Datenverarbeitung zählt nach überwiegender Auffassung ebenfalls zur Überwachung. Das Ordnen der erhobenen Informationen dient der Feststellung, ob eine vorgegebene Erwartung erfüllt wird. Das Bundesarbeitsgericht vertritt die Auffassung, dass der Mitbestimmungstatbestand gegeben ist, wenn die Auswertung mittels technischer Einrichtungen erfolgt, und zwar unabhängig davon, ob die Sammlung der Daten auf technischem Wege erfolgt ist (BAG, Beschluss v. 14.9.1984, 1 ABR 23/82[1]). Das BAG geht in dieser Entscheidung noch einen Schritt weiter, indem es als "Auswertung" sogar das bloße Sichten, Sortieren, Zusammenstellen und Trennen der Daten genügen lässt. Allerdings fordert es, dass die verhaltens- und leistungsbezogenen Daten zumindest "programmgemäß" zu Aussagen über Verhalten und Leistung herangezogen werden müssen. Das reine Speichern genüge nicht. In der Literatur wird zumindest die Durchführung eines Soll-Ist-Vergleichs gefordert, weil es sonst gänzlich an einer Überwachung fehlt.

Nicht der Mitbestimmung unterliegt aber in jedem Fall der bloße Abruf von Daten aus einer Datenbank, weil dies weder Erhebung noch Verarbeitung darstellt.

 

Rz. 119

Die technische Einrichtung muss zur Überwachung "bestimmt" sein, das fordert der Wortlaut der Mitbestimmungsnorm. Über diesen Wortlaut haben sich Rechtsprechung und große Teile der Literatur hinweggesetzt. Der Wortlaut sei missverständlich und müsse dahingehend ausgelegt werden, dass die "objektive Eignung" der technischen Einrichtung zur Überwachung genüge (BAG, Beschluss v. 9.9.1975, 1 ABR 20/74[2]; BAG, Beschluss v. 23.4.1985, 1 ABR 39/81[3]). Von der "objektiven Eignung" sei aber die "bloße theoretische Möglichkeit" zur Überwachung zu unterscheiden. Erst wenn eine Einrichtung konkrete Funktionen enthält, um das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen, wird ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründet (BAG, Beschluss v. 6.12.1983, 1 ABR 43/81[4]). Dabei kommt es aber nicht darauf an, dass die technische Einrichtung vorrangig oder überwiegend der Überwachung dient. Allerdings bezieht sich die Mitbestimmungspflichtigkeit dann auch nicht auf die Einführung eines derartigen Systems als solches, sondern nur auf die Anwendung der Überwachungsfunktionen.

Ein datenverarbeitendes System ist zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer bestimmt, wenn es individualisierte oder individualisierbare Verhaltens- oder Leistungsdaten selbst erhebt und aufzeichnet, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die erfassten und festgehaltenen Daten auch auswerten oder zu Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder Leistungsweisen verwenden will (BAG, Beschluss v. 14.11.2006, 1 ABR 4/06[5]).

Zur Frage der "Bestimmung zur Überwachung" beim Einsatz von technischen Einrichtungen, die nicht vom Arbeitgeber betrieben werden.[6]

 
Hinweis

Ob ein Datenverarbeitungssystem wie PAISY, SAP oder IMPAS in seiner Gesamtheit eingeführt wird, ist mitbestimmungsfrei. Mitbestimmungspflichtig sind nur die zur Überwachung geeigneten Funktionen. Mitbestimmungsfrei bleiben indes alle anderen Funktionen, etwa zur Lohn- und Gehaltsabrechnung, zur Personalverwaltung, zur Kalkulation oder Kostenrechnung.

 

Rz. 120

Auch bei sogenannten "absoluten Systemen" wird die Eignung zur Überwachung der Arbeitnehmer diskutiert. Von absoluten Systemen spricht man, wenn eine technische Einrichtung Verhaltens- oder Leistungsdaten nicht aufgrund eines festen Programms, sondern durch die Anwendung von Abfragesprachen zu Aussagen über Verhalten oder Leistung von Arbeitnehmern verarbeitet.[7]

 

Rz. 121

In der frühen Rechtsprechung zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hatte das BAG verlangt, dass sich die technische Einrichtung unmittelbar, d. h. in ihrem Kern schon selbst die Überwachung tätigen muss. Dieses "Unmittelbarkeitskriterium" ist jetzt dem Kriterium der objektiv eigenständigen Überwachungswirkung gewichen (BAG, Beschluss v. 6.12.1983, 1 ABR 43/81[8]; BAG, Beschluss v. 14.9.1984, 1 ABR 23/82[9]).

[1] BB 1985, 193.
[2] BB 1975, 1480.
[3] NZA 1985, 669.
[4] BAGE 44, 285.
[5] NZA 2007, 399.
[6] Siehe Rz. 109.
[7] Zur Diskussion siehe ErfK/Hanau/Kania, BetrVG § 87 Rz. 56, Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG § 87 Anm. 318; BAG, Beschluss v. 14.9.1984, 1 ABR 23/82.
[8] BAGE 44, 285.
[9] BB 1985, 193.

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