Rz. 48

Die betriebliche Ordnung, die durch § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung unterworfen wird, umfasst nur allgemeingültige, für die Arbeitnehmer oder für Gruppen von ihnen verbindliche Verhaltensregeln zur Sicherung des ungestörten Arbeitsablaufs und des reibungslosen Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb (BAG, Beschluss v. 24.11.1981, 1 ABR 108/79[1]). Sofern das Verhalten der Arbeitnehmer angesprochen ist, wird es nur erfasst, soweit es sich auf die betriebliche Ordnung bezieht (BAG, Beschluss v. 9.12.1980, 1 ABR 1/78[2]). Dem Betriebsrat soll die Teilhabe an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens ermöglicht werden.

 

Rz. 49

Das BAG unterscheidet dieses sogenannte Ordnungsverhalten vom nicht mitbestimmten Arbeitsverhalten. Negatives Tatbestandsmerkmal der Norm ist daher, dass die Angelegenheit nicht das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer betreffen darf (BAG, Beschluss v. 8.11.1994, ABR 22/94[3]; BAG, Beschluss v. 9.12.1980, 1 ABR 1/78[4]; BAG, Beschluss v. 27.1.2004, 1 ABR 7/03[5]). Beim Arbeitsverhalten geht es um Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht des Mitarbeiters unmittelbar konkretisiert wird, die sich damit unmittelbar auf die Ausführung der Arbeit bezieht. Darunter fallen arbeitstechnische Anordnungen hinsichtlich Gegenstand, Ort, Zeit, Reihenfolge und Art und Weise der Arbeit aber auch auf die Arbeitspflicht bezogene Führungsrichtlinien, die regeln, in welcher Weise Mitarbeiter allgemein ihre Arbeitsaufgaben bzw. Führungskräfte ihre Führungsaufgaben zu erledigen haben. In die gleiche Kategorie (mitbestimmungsfrei) fallen des Weiteren Organisations- und Vertretungsregelungen, auch der Erlass einer Dienstreiseordnung (BAG, Beschluss v. 8.12.1981, 1 ABR 91/79[6]). Mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten ist darüber hinaus von Weisungen im Einzelfall zu unterscheiden, die der Arbeitgeber stets mitbestimmungsfrei geben kann.

 

Rz. 49a

Viel diskutiert im Hinblick auf die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist die Einführung sogenannter Ethikrichtlinien. Dabei spielt die Unterscheidung zwischen Ordnungsverhalten und Arbeitsverhalten eine gewichtige Rolle. Die Frage, ob Ethikrichtlinien der Mitbestimmung unterfallen, lässt sich nicht pauschal beantworten, da der Regelungsinhalt derartiger Richtlinien sehr unterschiedlich sein kann und eine differenzierende Betrachtung angebracht ist. Näheres ist unter dem Stichwort Ethikrichtlinien zu finden.

 

Rz. 49b

Die einzelnen Regelungsgegenstände einer Ethikrichtlinie sind für sich genommen jeweils auf ihre Mitbestimmungspflicht zu überprüfen. Eine Mitbestimmungspflicht einzelner Regelungen begründet nicht notwendig die Mitbestimmungspflicht für die gesamte Richtlinie. Ein Mitbestimmungsrecht besteht dann nicht, wenn die einzelne Regelung lediglich eine Konkretisierung der Arbeitsleistung darstellt bzw. nur gesetzlich geregelte Anforderungen wiederholt werden (BAG, Beschluss v. 22.7.2008, 1 ABR 40/07 und v. 17.5.2011, 1 ABR 121/09[7]). Das BAG hält eine sog. Whistle-Blower-Regelung, nach der die Mitarbeiter verpflichtet werden, Interessenkonflikte schriftlich zu melden, für mitbestimmungspflichtig. Enthält eine Richtlinie eine derartige Regelung entfaltet auch sie jedoch keine materielle Klammerwirkung. Nach dieser Rechtsprechung ist es nicht erforderlich für die Whistle-Blower-Regelung eine separate Betriebsvereinbarung abzuschließen.

 

Rz. 50

Die Entscheidung, ob es sich um mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten oder um mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten handelt, ist nach dem "objektiven Regelungszweck", der sich nach dem Inhalt der Maßnahme und der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens bestimmt (BAG, Beschluss v. 11.6.2002, 1 ABR 46/01[8]). Dabei kommt es nach dem BAG nicht darauf an, welche subjektiven Vorstellungen den Arbeitgeber zu der Maßnahme bewogen haben, sondern welcher Regelungszweck überwiegt. Auch wenn ein Randbereich des Arbeitsverhaltens berührt sei, mache das eine im Kern das Ordnungsverhalten betreffende Maßnahme nicht mitbestimmungsfrei.

 

Rz. 51

Zur betrieblichen Ordnung zählen auch Maßnahmen, die deren Einhaltung nur flankieren, etwa besondere Anreize zur Einhaltung der Ordnung oder Überwachungsregelungen, soweit es bei Letzterem tatsächlich um die Ordnung des Betriebs handelt. Gegenbeispiel: Werden beispielsweise Privatdetektive zur Überwachung des Arbeitsverhaltens einzelner Arbeitnehmer engagiert, ist die Mitbestimmungspflichtigkeit gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG abzulehnen (BAG, Beschluss v. 26.3.1991, 1 ABR 26/90[9]). Gleiches gilt für andere Maßnahmen zur Kontrolle der Arbeitnehmer, wenn es allein um die Überwachung der Arbeitsleistung geht. Häufig wird es aber (auch) um die mitbestimmungspflichtige Kontrolle des Ordnungsverhaltens gehen, wie z. B. bei Torkontrollen, Werksausweisen, Taschenkontrollen, Stechuhren u.Ä.[10]

Unerheblich ist auch, ob der Arbeitgeber sich unmittelbar an seine Mitarbeiter wendet oder nur deren Vorgesetzte anspricht, soweit der Sac...

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