Rz. 16

Was die Form der Ausübung des Mitbestimmungsrechts angeht, sind die Betriebspartner frei. Zweckmäßigerweise wird eine Betriebsvereinbarung abzuschließen sein, wenn durch die Regelung unmittelbare Rechte und Pflichten für die Belegschaft ausgelöst werden sollen. Damit macht man sich die normative Wirkung des § 77 Abs. 4 BetrVG zu eigen. Nach dieser Vorschrift gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend und gestalten mithin das Arbeitsverhältnis direkt. In Betracht kommt aber auch eine formlose Regelungsabrede, mit der die Betriebspartner die Vorgehensweise in einer bestimmten Angelegenheit vereinbaren können. Eine derartige zweiseitige Abrede reicht aus, um die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers im Sinne der Mitbestimmung zu binden. Rechte und Pflichten des Arbeitgebers können so also durchaus begründet werden. Allerdings legt eine Regelungsabrede keine Rechte und Pflichten für die Arbeitnehmer fest. Zielen die Betriebspartner auch auf Letzteres ab, ist eine Betriebsvereinbarung zu wählen. Im Gegensatz zu einer Regelungsabrede muss eine Betriebsvereinbarung schriftlich vereinbart werden (§ 77 Abs. 2 BetrVG).

Wie sich aus § 87 Abs. 2 BetrVG ergibt, mündet der Mitbestimmungsvorgang in eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die betreffende Angelegenheit. Die Mitbestimmung funktioniert vom grundsätzlichen Ablauf her wie die Ausübung der Alleinentscheidungsbefugnisse des Arbeitgebers im betriebsratslosen Betrieb. Zunächst wird der zu regelnde Gegenstand analysiert, sodann werden verschiedene Lösungsmodelle diskutiert. Dann fällt auf der Leitungsebene die Entscheidung für einen bestimmten favorisierten Lösungsweg. An dieser Stelle setzt spätestens die Mitbestimmung an, denn während im betriebsratslosen Betrieb der Arbeitgeber allein entscheidet, geschieht dies in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten im verfassten Betrieb gemeinsam mit dem Betriebsrat. Da diesem in derartigen Angelegenheiten durch die Mitbestimmungsrechte in der Regel auch weitgehende Initiativrechte eingeräumt sind[1], kann der Betriebsrat schon zuvor, bei der Einbringung verschiedener Lösungswege, aktiv werden oder gar die Diskussion nebst der daraus folgenden Einigung initiieren.

Dieser Entscheidungsphase nachgelagert ist die schlichte Umsetzung des Entschlusses. Im betriebsratslosen Betrieb bedient sich der Arbeitgeber beispielsweise der Gesamtzusage oder der entsprechenden Gestaltung der Arbeitsverträge. Will er von bestehenden vertraglichen Bindungen abweichen, ist zu prüfen, ob dies einseitig möglich ist (z. B. mittels Geltendmachung eingeräumter Änderungsvorbehalte oder – bei reinen Begünstigungen – mittels Gesamtzusage) oder ob zuvor weitere Schritte eingeleitet werden müssen. In Betracht kommen vertragliche Änderungsangebote oder schließlich der Ausspruch von Änderungskündigungen.

Im verfassten Betrieb ist das grundsätzlich nicht anders. Denn die schlichte Umsetzung hat mit der Mitbestimmung nichts mehr zu tun. Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte setzt – wie gezeigt – am Entscheidungsprozess und nicht bei der Umsetzung an. Der Umsetzungsakt "Abschluss einer Betriebsvereinbarung" scheint zwar wegen der Anordnung der normativen Wirkung in § 77 Abs. 4 BetrVG in gewisser Weise privilegiert zu sein, denn wegen ihrer unmittelbaren und zwingenden Wirkung stellt die Betriebsvereinbarung ein sehr effektives Gestaltungsmittel dar. Dies gilt aber nur, wenn vorhandene wirksame Vertragsbindungen keine Grenzen setzen (Vertragsakzessorietät).

Haben also Betriebsrat und Arbeitgeber in einer bestimmten Angelegenheit ihre Entscheidung getroffen, muss gegebenenfalls erst der Boden für die entsprechende Betriebsvereinbarung bereitet werden, indem der Arbeitgeber sich mittels Änderungsvereinbarungen oder Änderungskündigungen von den vertraglichen Bindungen löst. In Angelegenheiten, in denen ihm Änderungsvorbehalte eingeräumt waren, ist dies entbehrlich. Im Abschluss der Betriebsvereinbarung liegt gleichzeitig die Ausübung des Vorbehalts.[2]

[1] Dazu Rz. 31.
[2] Siehe dazu auch Rz. 18.

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