Rz. 6

Die Vorschriften des § 87 Abs. 1 BetrVG gelten auch für den Gesamtbetriebsrat und den Konzernbetriebsrat im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit (s. § 50 BetrVG für den Gesamtbetriebsrat und § 58 BetrVG für den Konzernbetriebsrat). Indes haben die Jugend- und Auszubildendenvertretungen auf allen Ebenen im Bereich der sozialen Angelegenheiten keine eigenen Zuständigkeiten. Für die Bordvertretung (§ 115 BetrVG) und den Seebetriebsrat (§ 116 BetrVG) wird auf § 87 BetrVG verwiesen.

 

Rz. 7

Der in § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 BetrVG aufgeführte Katalog von Mitbestimmungstatbeständen ist aus Sicht des Gesetzes abschließend. Ob und in welchem Umfang er durch andere Gestaltungsmittel erweitert werden kann, ist umstritten. Es ist zwischen der Erweiterung der Mitbestimmung durch Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag zu unterscheiden.

 

Rz. 8

Mittels Betriebsvereinbarung kann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht geschaffen werden. Darin ist HSWG/Glaubitz, BetrVG, § 87 Anm. 40 zuzustimmen, die ausführen, dass die gesetzliche Regelung das unverrückbare Fundament darstelle, welches Arbeitgeber und Betriebsrat der Gestaltung ihrer Beziehungen zugrunde zu legen haben. Allerdings steht es dem Arbeitgeber frei, in den gesetzlich nicht mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten gem. § 76 Abs. 6 BetrVG die Einigungsstelle anzurufen. In diesen Fällen kann der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat u. a. dann ersetzen, wenn sich beide Seiten dem Spruch im Voraus unterworfen haben ("Vorabunterwerfung"). Wenn dies aber möglich ist, kann das verbindliche Einigungsstellenverfahren, d. h. die Unterwerfung unter den Spruch, auch für einen abstrakten Sachverhalt (und nicht auf jeden Einzelfall bezogen) in einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden. Der Arbeitgeber kann auf diese Weise den Betriebsrat über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus an der Ausübung seiner Rechte teilhaben lassen. Die Einigungsstelle wird dann gem. § 76 Abs. 6 BetrVG tätig, wobei die "Vorabunterwerfung" aufgrund der Betriebsvereinbarung als gegeben angesehen werden kann. Das entspricht zwar weitgehend den Wirkungen eines Mitbestimmungsrechts; es bestehen aber auch Unterschiede: Handlungen des Arbeitgebers ohne Einigung mit dem Betriebsrat sind nicht "mitbestimmungswidrig", sondern verstoßen lediglich gegen die Verfahrensregelung der Betriebsvereinbarung. Einseitige Anweisungen in der Angelegenheit sind nicht zwangsläufig individualrechtlich unwirksam. Eilfallregelungen des Arbeitgebers sind möglicherweise zu dulden. Mit anderen Worten: Die gesamte Dogmatik der Mitbestimmung ist auf solche Vereinbarungen nicht zwangsläufig anwendbar. Denn diese gesetzlichen Folgen können die Betriebspartner nicht außerhalb der abschließenden Mitbestimmungstatbestände installieren. Schließlich kann eine derartige Betriebsvereinbarung ohne Nachwirkung, § 76 Abs. 6 BetrVG, gekündigt werden.

 

Rz. 9

Die Erweiterung der erzwingbaren Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten durch einen Tarifvertrag wird überwiegend für zulässig erachtet (BAG, Beschluss v. 18.8.1987, 1 ABR 30/86[1]). Zuerst wurde eine tarifliche Regelung anerkannt, die die Mitbestimmung über die Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG) auf die regelmäßige Dauer der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit ausdehnte und die für die Streitentscheidung die Zuständigkeit der Einigungsstelle gem. § 87 Abs. 2 BetrVG begründete. Dabei wurde die tarifvertragliche Erweiterung der Mitbestimmung als Rechtsnorm über betriebsverfassungsrechtliche Fragen im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 (TVG) angesehen. Konsequenz ist, dass für die Geltung im Betrieb die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ausreicht. Nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer werden von dieser Regelung also auch erfasst. Das BAG hat diese Rechtsprechung inzwischen gefestigt: BAG, Beschluss v. 9.5.1995, 1 ABR 56/94[2], Mitbestimmung über die Höhe einer Erschwerniszulage. Gegen die Erweiterung der Mitbestimmung mittels Tarifvertrags außerhalb der sozialen Angelegenheiten bestehen durchgreifende Bedenken, jedenfalls soweit es um wirtschaftliche Angelegenheiten geht.[3]

Tarifbestimmungen, die vorsehen, dass der Arbeitgeber bestimmte Regelungen nur mit Zustimmung des Betriebsrats treffen kann, sind dann nicht als Erweiterung der Mitbestimmungsrechte zu werten, wenn der Arbeitgeber durch den Tarifvertrag erst bestimmte Rechte erhält, die dann allerdings unter einen Zustimmungs- oder Beteiligungsvorbehalt gestellt werden. In seinem eigenen Regelungsbereich kann der Tarifvertrag dem Betriebsrat nach herrschender Meinung unproblematisch zusätzliche Rechte einräumen[4] und gegebenenfalls auch die Einigungsstelle instrumentalisieren.

 

Rz. 10

Eingeschränkt oder aufgehoben werden darf die gesetzliche Mitbestimmung nach § 87 BetrVG indes nicht. Das Gesetz ist absolut zwingend (BAG, Beschluss v. 22.10.1985, 1 ABR 67/83[5]). Die Mitbestimmung kann allerdings tarifvertraglich ausgeschlossen werden, soweit der Tarifvertrag die...

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