Rz. 9

Nach dem weit gefassten Gesetzeswortlaut liegt ein tauglicher Beschwerdegegenstand bereits dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer beeinträchtigt fühlt. Ausreichend ist daher schon das subjektive Empfinden des Arbeitnehmers.[1] Dagegen ist eine objektive materielle Berechtigung der Beschwerde nicht erforderlich. Der Arbeitnehmer muss in seiner Beschwerde aber deutlich machen, in welchen konkreten Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art er eine Beeinträchtigung sieht. Die behauptete Beeinträchtigung muss inhaltlich mit dem Betrieb oder dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, also die Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne betreffen (BAG, Beschluss v. 22.11.2005, 1 ABR 50/04[2]). An einem solchen Bezug fehlt es bei Streitigkeiten im Umfeld des Arbeitsverhältnisses, die sich nicht zumindest mittelbar auf dieses auswirken, etwa bei einem Streit über die Leistung eines Arbeitnehmers bei einer Veranstaltung des Betriebssports.

 

Rz. 10

Damit der Beschwerdegegenstand festgestellt werden kann, muss der Arbeitnehmer in seiner Beschwerde deutlich machen, in welchen konkreten Umständen er eine Beeinträchtigung sieht.[3] Dabei müssen die tatsächlichen Gründe der Beschwerde mit einem Mindestmaß an Konkretheit dargestellt werden, damit der Arbeitgeber der Beschwerde abhelfen kann. Die Kennzeichnung lediglich der Art der Benachteiligung, der ungerechten Behandlung oder sonstigen Beeinträchtigung genügt nicht.[4]

 

Rz. 11

Nach dem Wortlaut des § 84 Abs. 1 BetrVG muss sich die Beschwerde nicht auf noch andauernde oder sich möglicherweise wiederholende Vorgänge beziehen. Auch gegen bereits abgeschlossene Vorgänge, mit denen bestimmte bereits beseitigte Beeinträchtigungen verbunden waren, kann eine Beschwerde erfolgen. Auch wenn eine Abhilfe durch den Arbeitgeber nicht mehr erforderlich ist, steht dies der Erhebung einer Beschwerde durch den Arbeitnehmer und der Pflicht des Arbeitgebers zu ihrer Bescheidung nach § 84 Abs. 2 BetrVG nicht entgegen (BAG, Beschluss v. 22.11.2005, 1 ABR 50/04[5]).

 

Rz. 12

Die Beschwer muss vom Arbeitgeber, einer ihm zuzurechnenden Person (auch leitende Angestellte) oder von anderen betriebsangehörigen Arbeitnehmern ausgehen. Beschwerden gegen die Amtstätigkeit des Betriebsrats oder seiner Mitglieder sind dagegen nicht statthaft, da der Arbeitgeber keinen Einfluss auf die Arbeit und Amtsführung des Betriebsrats nehmen kann und ihm insoweit keine Abhilfemöglichkeit zusteht; hierfür steht ausschließlich das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG zur Verfügung.[6] Allerdings kann eine Beschwerde auch über ein Betriebsratsmitglied erfolgen, sofern dieses in seiner Stellung als Arbeitnehmer und nicht in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied betroffen ist.

 

Rz. 13

Häufige Beschwerdegegenstände betreffen die Arbeitsorganisation (z. B. Leistungsverdichtung durch Erhöhung der Arbeitsmengen, Vertretungsregelungen, Einführung von Gruppenarbeit oder Großraumbüros), den Arbeits- und Gesundheitsschutz (z. B. Beeinträchtigungen durch Lärm, Gerüche, Vibrationen, Zugluft), den Nichtraucherschutz (z. B. häufiges Verlassen des Arbeitsplatzes, Raucherecken, Abstempeln vor der Raucherpause), Leistungsbeurteilungen (z. B. Arbeitszeugnisse) und das unbefugte Erheben, Verarbeiten oder Nutzen von Beschäftigtendaten, also Verstöße gegen das BDSG.

 

Rz. 14

Dabei kann es sich um Rechtsansprüche des Arbeitnehmers auf dem Gebiet der Vergütung (falsche Eingruppierung, fehlende Zulagen, Tantiemen und Bonuszahlungen, Streit über die Höhe und Erforderlichkeit angefallener Überstunden) , im Zusammenhang mit Urlaubsfragen (Übertragung des Urlaubs aufs Folgejahr, Gewährung des Urlaubs zu bestimmten Terminen, Zeitpunkt der Urlaubsnahme), der Berechtigung von Abmahnungen, aus Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (etwa in Verbindung mit der Gewährung von freiwilligen Leistungen) und Verstößen gegen das Benachteiligungsgebot des § 7 Abs. 1 AGG handeln.

 

Rz. 15

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens können aber auch rein tatsächliche Benachteiligungen wie das ständige Zuweisen besonders unangenehmer oder unter unzumutbaren Bedingungen zu verrichtender Arbeiten sowie die andauernde Übernahme von Vertretungen und die Übertragung von Aufgaben ohne sachgerechte Anleitung und Einarbeitung, die Erteilung von Anweisungen in unangemessener Form und das Bloßstellen vor Arbeitskollegen sein. Auch Konflikte in Bezug auf die Arbeitszeit (häufiges Heranziehen zu Überstunden und Samstagsarbeit, ungünstige Lage der persönlichen Arbeitszeit) finden ihren Niederschlag häufig in Beschwerden.

Beeinträchtigungen in sonstiger Weise können auch von Arbeitskollegen ausgehen, etwa durch Hänseln von Kollegen, dem Verstecken von Arbeitsmaterialien, dem Verweigern des Grußes, das Schweigen der im Raum Anwesenden beim Eintreten eines Kollegen oder der Verweigerung der Zusammenarbeit. Auch bei einem Streit zwischen Rauchern und Nichtrauchern kann vom Beschwerderecht Gebrauch gemacht werden (LAG München, Urteil v. 27.11.1990, 2 Sa 542/90[7]). Gleiches gilt für den Fall, dass si...

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