Rz. 8

§ 83 BetrVG stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage des Einsichtsrechts dar.[1] Das Einsichtsrecht steht dem Arbeitnehmer höchstpersönlich zu. Er kann jedoch auch eine Person hierzu bevollmächtigten, wobei der Arbeitgeber auf einer schriftlichen Vollmacht bestehen kann, die zur Personalakte genommen werden darf. Bei dem Bevollmächtigten kann es sich auch um ein Betriebsratsmitglied handeln, nicht jedoch um den Betriebsrat als Kollegialorgan. Dieser hat auch aus eigenem Recht keinen Anspruch auf Vorlage der Personalakte (BAG, Beschluss v. 20.12.1988, 1 ABR 63/87[2]); im Einzelfall muss der Arbeitgeber jedoch konkrete Informationen auch aus der Personalakte erteilen, wenn diese Informationen für die Aufgabenerfüllung des Betriebsrats erforderlich sind. Ein vom Arbeitnehmer beauftragter Dritter, wie beispielsweise ein anwaltlicher Vertreter, hat kein Recht auf Einsicht in die Personalakte des Arbeitnehmers (BAG, Urteil v. 12.7.2016, 9 AZR 791/14). Ein Einsichtsrecht steht auch dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer zu, sofern die Personalakte noch vorhanden ist. Gleiches gilt für einen abgelehnten Bewerber, der Ansprüche aus § 611a Abs. 2 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot geltend macht.

 

Rz. 9

Das Einsichtsrecht bezieht sich auf alle Aufzeichnungen, die zur Personalakte gehören, auch wenn sie sich in Sonder- oder Nebenakten befinden oder gar nicht in einer geordneten Ablage. Maßgeblich ist stets die materielle Zugehörigkeit[3]. Auch betriebliche Ermittlungsakten können eingesehen werden. Verschlüsselte Informationen sind dem Arbeitnehmer verständlich zu machen. Eines besonderen Anlasses für die Einsichtnahme bedarf es nicht. Das Recht kann grundsätzlich jederzeit während der Arbeitszeit ausgeübt werden, ohne dass das Entgelt zu kürzen ist. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Einsichtnahme muss der Arbeitnehmer jedoch auch Rücksicht auf betriebliche Belange nehmen. In Einzelfällen kann das Begehren auch rechtsmissbräuchlich sein. Der Arbeitnehmer hat das Recht, sich Notizen zu machen und Fotokopien anzufertigen, sofern hierfür die Möglichkeit besteht. Die Kosten hierfür muss er selbst tragen. Im Übrigen ist die Einsichtnahme kostenlos, selbst wenn dem Arbeitgeber z. B. Personalkosten entstehen. Es besteht kein Anspruch auf Aushändigung der Personalakte. Der Arbeitnehmer darf nicht wegen seiner Einsichtnahme benachteiligt werden.

 

Rz. 10

Der Arbeitnehmer kann ein Betriebsratsmitglied seiner Wahl zur Einsichtnahme hinzuziehen, aber das Einsichtsrecht kann gegen den Willen des Arbeitgebers nicht durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 17.4.2014, 5 Sa 385/13 für die Einsichtnahme durch einen Rechtsanwalt). Der Arbeitnehmer darf auch keinen Anwalt zur Einsichtnahme hinzuziehen. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Anfertigen von Kopien gestattet (BAG, Urteil v. 12.7.2016, 9 AZR 791/14). Gegen den Willen des Arbeitnehmers darf das Betriebsratsmitglied nur dann hinzugezogen werden, wenn in dem Gespräch mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten besprochen werden. Die fortgesetzte unbefugte Einsichtnahme eines Betriebsratsmitglieds in elektronische Personalakten kann seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat rechtfertigen (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 22.11.2012, 17 TaBV 1318/12). Außerhalb mitbestimmungspflichtiger Vorgänge darf der Arbeitgeber dem Betriebsrat auch nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers die komplette Personalakte zugänglich machen (LAG Niedersachsen, Urteil v. 22.1.2007, 11 Sa 614/06[4]). Es verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, wenn eine Betriebsvereinbarung den permanenten Zugriff auf elektronisch geführte Personalakten vorsieht (LAG Düsseldorf, Beschluss v. 23.6.2020, 3 TaBV 65/19).

Das Einsichtsrecht des Betriebsrats besteht, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, in demselben Umfang wie das des Arbeitnehmers, insbesondere bezogen auf Nebenakten und Untersuchungsakten. Über den Inhalt der Personalakte hat das Betriebsratsmitglied Stillschweigen zu bewahren, und zwar auch gegenüber den anderen Mitgliedern des Betriebsrats. Ein grober Verstoß hiergegen kann zu einem Amtsenthebungsverfahren gem. § 23 Abs. 1 BetrVG führen. Der Arbeitnehmer kann ihn jedoch von dieser Verschwiegenheitspflicht entbinden. Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben das Recht, zusätzlich noch die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen (§ 25 Abs. 3 SchwbG). Auch diese unterliegt der Schweigepflicht.

Die Einsichtnahme hat während der Arbeitszeit zu erfolgen. Das Arbeitsentgelt darf hierfür nicht gekürzt werden.[5]

Das Einsichtsrecht kann auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen, wenn ein konkretes Rechtsschutzinteresse besteht (BAG, Urteil v. 16.11.2010, 9 AZR 573/09).

[1] Zum Verhältnis des Auskunftsanspruchs nach DS-GVO zu personalaktenrechtlichen Einsichtsrechten, Franzen in NZA 2020, 1593.
[2] NZA 1989, 393.
[3] S. o.Rz. 3.
[4] NZA-RR 2007, 585.
[5] Fitting, Rn. 12 zu § 83 BetrVG.

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