Rz. 26

Betriebsvereinbarungen wirken unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis ein. Es bedarf keinerlei Umsetzung in den Arbeitsvertrag. Dies gilt auch für Betriebsvereinbarungen, die den Arbeitnehmern Pflichten auferlegen.

 
Praxis-Beispiel

Eine Betriebsvereinbarung sieht ein Rauchverbot in bestimmten Bereichen des Betriebs vor. Die Arbeitnehmer müssen sich daran halten, auch wenn in ihren Arbeitsverträgen dazu nichts steht. Es ist auch unerheblich, ob die betroffenen Arbeitnehmer den Betriebsrat in seiner jetzigen Besetzung gewählt haben. Die Betriebsvereinbarung wirkt wie ein Gesetz.

Die Betriebsvereinbarung wirkt auch zwingend auf das Arbeitsverhältnis ein. Dies bedeutet, dass einzelvertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Betriebsvereinbarung überlagert werden, sofern sie ungünstiger sind als diese.

 
Praxis-Beispiel

Im Arbeitsvertrag wurde vereinbart, dass die Arbeitszeit um 8.30 Uhr beginnt. Später wird eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die eine Gleitzeit vorsieht. Auf diese Gleitzeitregelung kann sich der Arbeitnehmer berufen, obwohl er den Vertrag unterzeichnet hat.

 

Rz. 27

Die arbeitsvertraglichen Bestimmungen werden jedoch nur solange überlagert, wie die Betriebsvereinbarung existiert. Im Nachwirkungszeitraum gilt die zwingende Wirkung nicht (BAG, Beschluss v. 10.3.1992, 3 ABR 54/91[1]). Der Arbeitsvertrag selbst wird nicht geändert, sodass seine Regelungen wieder vollständig in Kraft treten, sobald die Betriebsvereinbarung ihre Wirkung verliert (BAG, Urteil v. 12.12.2007, 4 AZR 998/06[2]). Dies gilt auch für Ansprüche, die durch betriebliche Übung entstanden sind und durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst werden (BAG, Urteil v. 28.3.2000, 1 AZR 366/99). Bestimmungen des Einzelarbeitsvertrags, die für den Arbeitnehmer günstiger sind als die Betriebsvereinbarung werden durch diese von vornherein nicht berührt. Es gilt hier das sog. Günstigkeitsprinzip. Die Betriebsvereinbarungen gewähren nur einen Mindeststandard, der zwar nicht unterschritten werden darf, über den der Arbeitgeber aber hinausgehen kann. Dabei dürfen aber nur gleichartige Leistungen in den Günstigkeitsvergleich einbezogen werden. Zur Frage von Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen hat das LAG Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Nichtregelung einer fest bestimmten Altersgrenze im Arbeitsvertrag günstiger sei als die kollektive Norm einer Betriebsvereinbarung, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses z. B. zum 65. Lebensjahr vorsieht, weil der Arbeitnehmer dadurch eine größere Wahlfreiheit erlange (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 11.11.2013, 5 Sa 312/13).

 
Praxis-Beispiel

Eine Betriebsvereinbarung regelt einen Zusatzurlaub bei längerer Betriebszugehörigkeit. Der Arbeitnehmer unterschreibt eine Einzelvereinbarung, dass er darauf verzichtet und im Gegenzug nicht an einen anderen Standort versetzt wird. Hier gilt das Günstigkeitsprinzip nicht, denn es sind verschiedenartige Leistungen. Sieht die Betriebsvereinbarung hingegen einen Zusatzurlaub von drei Tagen vor, können einzelvertraglich vier Tage vereinbart werden. Diese Regelung gilt dann auch über das Ende der Betriebsvereinbarung hinaus.

Ebenso wie die Tarifparteien können auch die Betriebspartner Öffnungsklauseln vereinbaren und in gewissen Bereichen andere Einzelvereinbarungen zulassen. Dies muss aber ausdrücklich in der Betriebsvereinbarung stehen.

Die Ablösung einer Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung ist grundsätzlich möglich, da die Arbeitsvertragsparteien ihre vertraglichen Absprachen so ausgestalten können, dass sie einer Änderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BAG namentlich bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich. Eine solche konkludente Vereinbarung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und (wie stets bei Gesamtzusagen) einen kollektiven Bezug hat. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann, so der 1. Senat, aus Sicht eines "verständigen und redlichen Arbeitnehmers" nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer, möglicherweise auch verschlechternden Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Die Ablösung eines Jubiläumsgeldes durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung, dessen Zahlung allein vom Bestand und der entsprechenden Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängt, greift nicht in den Schutzbereich der nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsgarantie ein (BAG, Urteil v. 24.10.2017, 1 AZR 846/15).

[1] DB 1992, 1735, s. zur Nachwirkung i. E. Rz. 43 ff.
[2] NZA 2008, 649.

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