Rz. 30

Das AGG nennt in § 1 als Differenzierungsmerkmale die Rasse, die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion oder Weltanschauung, die Behinderung, das Alter und die sexuelle Identität. Diese Merkmale entstammen Art. 13 EG, der durch den Amsterdamer Vertrag mit Wirkung zum 1.5.1999 in das primäre Gemeinschaftsrecht eingefügt worden ist. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält darüber hinaus als weitere Diskriminierungsmerkmale die Abstammung oder sonstige Herkunft, die Nationalität und die politische oder gewerkschaftliche Betätigung oder Einstellung.

3.5.3.2.1 Rasse

 

Rz. 31

Das Diskriminierungsmerkmal "Rasse" ist von der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG vorgegeben. Es weist die Besonderheit auf, dass menschliche Rassen nach den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers nicht existieren. Die Aufnahme dieses Merkmals in den Katalog des § 1 AGG und damit auch des § 75 Abs. 1 BetrVG erfolgte mit dem Ziel, rassistischen Tendenzen entgegenzuwirken, die an den Gedanken des Bestehens verschiedener menschlicher "Rassen" und deren unterschiedlicher Wertigkeit anknüpfen.

3.5.3.2.2 Ethnische Herkunft

 

Rz. 32

Auch dieser Begriff stammt aus der Antirassismusrichtlinie. Nach der Rechtsprechung des EuGH[1] kann auf Wertungen nach Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zurückgegriffen werden. Unter einer Ethnie ist grundsätzlich eine Gruppe von Personen zu verstehen, die durch gemeinsame Geschichte, Herkunft, Kultur oder Zusammengehörigkeitsgefühl verbunden sind (BAG, Urteil v. 21.6.2012, 8 AZR 364/11). Ethnische Herkunft ist mithin die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kulturkreis. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen von dem Begriff u. a. auch die Abstammung, der nationale Ursprung oder das Volkstum umfasst werden. Der Begriff "ethnische Herkunft" ist weit zu verstehen, weil er einen möglichst lückenlosen Schutz vor ethnisch motivierten Benachteiligungen gewährleisten soll (BAG, Urteil v. 15.12.2016, 8 AZR 418/15).

3.5.3.2.3 Abstammung

 

Rz. 33

Der Begriff "Abstammung" meint die blutmäßige oder volksmäßige Zugehörigkeit. Verboten ist danach grundsätzlich eine Differenzierung nach der Hautfarbe, der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Der Begriff überschneidet sich mit den beiden erstgenannten Merkmalen.

3.5.3.2.4 Sonstige Herkunft

 

Rz. 34

Dieser Begriff knüpft in Abgrenzung zur "ethnischen Herkunft" an das bisherige Differenzierungsmerkmal "wegen der Herkunft" in § 75 Abs. 1 BetrVG a. F. an. Es verbietet auch weiterhin eine Benachteiligung wegen der örtlichen, regionalen oder sozialen Herkunft.

3.5.3.2.5 Nationalität

 

Rz. 35

"Nationalität" meint die Staatsangehörigkeit. Wegen ihrer Nationalität dürfen ausländische Arbeitnehmer im Betrieb nicht anders behandelt werden als Deutsche. Von diesem Differenzierungsverbot unberührt bleiben allerdings die geltenden Bestimmungen über die Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung nach § 2 PassG oder über die Ausländerbeschäftigung nach §§ 284 ff. SGB III, die durch das Umsetzungsgesetz nicht geändert und an das AGG angepasst worden sind.

3.5.3.2.6 Religion oder Weltanschauung

 

Rz. 36

Diese beiden Begriffe weisen erhebliche Unschärfen auf.

Kennzeichnend für eine Religion ist der transzendente Bezug des Glaubens. Darunter ist die Eingliederung des Einzelnen in einen jenseitigen, nicht mit von den Menschen gesetzten Maßstäben zu beurteilenden und durch wissenschaftliche Erkenntnisquellen nicht erschöpfend zu erklärenden Zusammenhang zu verstehen. Geschützt wird sowohl das Recht, religiöse Überzeugungen zu haben, als auch das Recht, diese Überzeugungen den Anforderungen der Religion entsprechend zu praktizieren, etwa durch Beteiligung an Gottesdiensten, sowie Regeln und Gepflogenheiten zu beachten, vgl. Art. 9 EMRK. Dazu kann auch das Tragen eines Kopftuches als Beachtung religiöser Kleidervorschriften gehören (BVerfG v. 18.10.2016, 1 BvR 354/11[1]), und zwar sogar in einer öffentlichen Kindertagesstätte. Der EuGH (EuGH v. 14.3.2017, Rs. C-157/15[2]) hat demgegenüber die interne Regelung eines Unternehmens, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens und mithin auch das Tragen eines islamischen Kopftuchs verbietet, nicht als unmittelbare Benachteiligung angesehen und eine mittelbare Diskriminierung verneint, wenn ein rechtmäßiges Ziel, wie die Neutralität des Arbeitgebers gegenüber seinen Kunden sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel angemessen und erforderlich sind.

"Weltanschauungen" meint demgegenüber gedankliche Systeme, die eine wertende Stellungnahme zum Sinn des Weltgeschehens bieten, ohne dabei auf Gott, das Jenseits oder die Idee der Transzendenz zurückzugreifen

Im Rahmen des AGG werden also mit Sicherheit die nach nationalem deutschen Recht bereits entschiedenen Fragen nach der Religions- bzw. Weltanschauungseigenschaft von Gemeinschaften relevant, die sich in großem Umfang wirtschaftlich betätigen. Dies gilt insbesondere für die Scientology-Bewegung. Nicht auszuschließen ist, dass der Arbeitgeber, der eine Personalentscheidung wie z. B. die Einstellung von dem Bekenntnis eines Beschäftigten zur Scientology Church abhängig macht, eine unm...

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