Rz. 9

Seit der Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001 mit der Satz 2 neu in § 7 BetrVG aufgenommen wurde, sind auch Leiharbeitnehmer wahlberechtigt, wenn sie länger als 3 Monate zur Arbeitsleistung eingesetzt werden. Entscheidend ist die Eingliederung im Einsatzbetrieb, die dazu führt, dass sie dem Direktionsrecht des dortigen Arbeitgebers unterliegen (BAG, Beschluss v. 17.2.2010, 7 ABR 51/08; BAG, Beschluss v. 10.10.2012, 7 ABR 53/11). Diese Voraussetzung trifft vor allem für Leiharbeitnehmer im Sinn des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) zu. Für sie gilt allerdings § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG mit der Folge, dass ihnen das passive Wahlrecht nach § 8 BetrVG nicht zusteht. Die Neuregelung des AÜG durch das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21.2.2017 (s. o. Rz. 2) hat daran nichts geändert, § 14 Abs. 2 Satz 1 gilt unverändert fort (s. auch Kommentierung zu § 8 BetrVG).

Weitere Anwendungsfälle des § 7 Satz 2 BetrVG werden bei bestimmten Gestaltungen von Arbeitsverhältnissen innerhalb eines Konzerns gesehen.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers besteht mit der Konzernmutter, der Einsatz erfolgt aber ganz überwiegend bei einer Konzerntochter und der Arbeitnehmer untersteht weisungsabhängig den leitenden Angestellten des Tochterunternehmens.

Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG, Beschluss v. 20.4.2005, 7 ABR 20/04[1]) bleiben dagegen Arbeitnehmer entsprechend der Regelung des § 14 Abs. 1 AÜG betriebsverfassungsrechtlich dem Betrieb desjenigen konzernangehörigen Arbeitgebers zugeordnet, mit dem sie den Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, auch, wenn sie von diesem Arbeitgeber nur deshalb angestellt werden, um anderen Konzernunternehmen im In- und Ausland zur Arbeitsleistung ohne eigene Gewinnerzielungsabsicht überlassen zu werden.

 
Praxis-Beispiel

Die dem Konzern A angehörende Personalführungsgesellschaft P schließt in eigenem Namen mit den Arbeitnehmern B, C und D einen Arbeitsvertrag. P überlässt die Arbeitnehmer der ebenfalls zum Konzern A gehörenden Produktionsgesellschaft G, damit sie dort Arbeitsleistungen erbringen. P erhält von G für die Überlassung der Arbeitnehmer kein Entgelt. B, C und D gehören dem Betrieb der P an.

 

Rz. 10

Bisher war nicht ganz eindeutig, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Zähl- und Schwellenwerten im Betriebsverfassungsrecht (z. B.§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG, § 9 BetrVG, § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, § 14a Abs. 1 BetrVG, § 14a Abs. 5 BetrVG, § 28 Abs. 1 S. 1 BetrVG, § 28a Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 1 BetrVG, § 92a Abs. 2 S. 2 BetrVG, § 95 Abs. 2 S. 1 BetrVG, § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 106 Abs. 1 S. 1 BetrVG, § 110 Abs. 1 BetrVG, § 111 Abs. 1 S. 1 BetrVG, § 111 Abs. 1 S. 2 BetrVG, § 112a Abs. 1 BetrVG) Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen waren. Mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG, die durch das Änderungsgesetz vom 21.2.2017 mit Wirkung ab 1.4.2017 neu ins AÜG aufgenommen worden ist, ist nun klargestellt, dass Leiharbeitnehmer bei den genannten Zähl- und Schwellenwerten auch im Betrieb des Entleihers mitzuberücksichtigen sind, und zwar unabhängig von der Dauer ihres Einsatzes dort. Damit hat sich der Gesetzgeber der neueren Rechtsprechung des BAG angeschlossen, das auf die sogenannte "gespaltene Arbeitgeberstellung" abgestellt hat. Danach besteht zwar zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kein Arbeitsvertrag, allerdings übt der Entleiher zumindest partiell Arbeitgeberfunktionen gegenüber dem Leiharbeitnehmer aus, der seiner Organisationshoheit und seiner Dispositionsbefugnis unterstellt ist (BAG, Beschluss v. 13.3.2013, 7 ABR 69/11).[2]

Mit der gesetzlichen Neuregelung in § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG ist nun klar, dass ein Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung von Zähl- und Schwellenwerten sowohl im Betrieb des Verleihers, mit dem er seinen Arbeitsvertrag geschlossen hat (und bei dem er wahlberechtigt nach § 7 Satz 1 BetrVG und wählbar nach § 8 BetrVG ist) zu berücksichtigen ist, als auch im Betrieb des Entleihers, bei dem er nach einem Einsatz von mehr als 3 Monaten zwar wahlberechtigt nach § 7 Satz 2 BetrVG, nach wie vor aber nicht wählbar nach § 8 BetrVG ist.

Siehe zur Frage der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Ermittlung der Größe des Betriebsrats auch die Kommentierung in § 9 Rz. 7.

Die Größe des Betriebsrats ist vom Wahlvorstand zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens unter Beachtung dieser neuen gesetzlichen Regelung – d. h. mit Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer – festzulegen. Zählt dieser die Leiharbeitnehmer dennoch nicht mit, wird die gesamte Wahl auf diese Festlegung ausgerichtet sein, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich nach Erlass des (fehlerhaften) Wahlausschreibens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ein vorgeschaltetes Kontrollverfahren vor dem Arbeitsgericht einleitet. Die Wahlen müssten dann bis zu einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung unterbrochen werden. Die Erfolgsaussichten eines derartigen Verfahrens sind aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 4 ...

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