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Grundsätzlich kann auch der Gesamtbetriebsrat seine Beschlüsse nur in einer Sitzung in Anwesenheit seiner Mitglieder fassen, eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren oder in einer Videokonferenz sah das BetrVG in seiner früheren Fassung nicht vor. Als Folge der im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie aus Gründen des Infektionsschutzes erlassenen Kontakt- und Reisebeschränkungen wurde für den Zeitraum vom 1.3.2020 bis zum 30.6.2021 durch den neu eingefügten § 129 Abs. 1 BetrVG auch dem Gesamtbetriebsrat die Möglichkeit eingeräumt, Sitzungen und Beschlussfassungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen.[1] Nach der Streichung des § 129 BetrVG wurde die Möglichkeit des Gesamtbetriebsrats zur Abhaltung von Sitzungen und zur Beschlussfassung im Rahmen von Video- und Telefonkonferenzen einschließlich online gestützter Anwendungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.6.2021 festgeschrieben.[2]

Durch die Bezugnahmeregelung in § 51 Abs. 1 Satz 1 BetrVG findet auch der geänderte § 30 BetrVG auf die Sitzungen des Gesamtbetriebsrats Anwendung. Zwar finden die Sitzungen danach grundsätzlich als Präsenzveranstaltung statt, § 30 Abs. 2 BetrVG ermöglicht aber auch die Durchführung der Sitzung mittels Video- und Telefonkonferenz.

Erforderlich hierfür ist, dass

(1) die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,
(2) nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und
(3) sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Hierdurch wird ermöglicht, die Sitzung des Gesamtbetriebsrats ausschließlich als Video- oder Telefonkonferenz durchzuführen, es ist aber auch eine Mischung aus Präsenz- und Video-/Telefonkonferenz durch Zuschaltung einzelner Mitglieder des Gremiums möglich. Ob und inwieweit die Möglichkeit der Video- und Telefonkonferenz genutzt wird, steht dabei in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Gesamtbetriebsrats. Dem Gesamtbetriebsrat steht dabei ein Ermessen zu, wobei angesichts des im Gesetz niedergelegten Vorrangs der Präsenzsitzung zweifelhaft ist, ob in besonderen Ausnahmefällen eine Verpflichtung zur Abhaltung einer Videokonferenz bestehen kann (vgl. zur Regelung des § 129 BetrVG LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 24.8.2020, 12 TaBVGa 1015/20[3]; ArbG Regensburg,Beschluss v. 7.12.2020, 2 BVGa 7/20[4]). Im Hinblick auch auf diese Rechtsprechung hielt es der Gesetzgeber für erforderlich, in der Gesetzesbegründung darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber in keinem Fall berechtigt ist, die Durchführung mittels Video- und Telefonkonferenz zu verlangen.[5]

Das Gesetz stellt allerdings auch klar, dass die Sitzung des Gesamtbetriebsrats vorrangig als Präsenzsitzung erfolgen soll. Der Gesetzgeber sieht die Durchführung als Präsenzsitzung als vorzugswürdig an, da Körpersprache, Mimik oder Gestik bei einer Video- oder Telefonkonferenz nicht in gleicher Weise wahrgenommen werden können und auch ein vertraulicher Einzelaustausch von einzelnen Gesamtbetriebsratsmitgliedern, der für die Meinungsbildung wichtig sein kann, nicht möglich ist.

Dieser Vorrang muss auch durch entsprechende Vorschriften in der Geschäftsordnung gesichert werden, sodass der Gesamtbetriebsrat nicht regeln kann, dass Sitzungen nur noch im Wege der Video- oder Telefonkonferenz erfolgen. Der Vorrang kann beispielsweise gesichert werden durch eine Begrenzung der Anzahl von Sitzungen, die ganz oder teilweise als Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden können, oder eine Beschränkung auf bestimmte Themen, auf Sachverhalte, bei denen der Gesamtbetriebsrat eine möglichst schnelle Befassung für angezeigt hält oder durch eine Begrenzung auf Fälle, in denen sie dem Gesundheitsschutz der Betriebsratsmitglieder dient.[6] Zumindest diese Voraussetzung wird jedenfalls in Zeiten einer epidemiologischen Lage bei den Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats angesichts der oft langen Anfahrtswege der einzelnen Mitglieder regelmäßig gegeben sein.

Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats muss bei jeder Einladung zur Sitzung darauf hinweisen, dass und in welcher Weise die Nutzung der Video- und Telefonkonferenz beabsichtigt ist und eine angemessene Frist zum Widerspruch setzen. Der Widerspruch gegen die Abhaltung der Sitzung als Video- oder Telefonkonferenz ist an keine Form gebunden und muss gegenüber dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats erfolgen.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BetrVG muss bei einer Video- oder Telefonkonferenz sichergestellt sein, dass der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gewahrt bleibt und Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Hierzu müssen seitens des Gremiums sowohl technische Maßnahmen, wie etwa die Verschlüsselung der Verbindung, als auch organisatorische Maßnahmen, wie etwa die Nutzung eines nichtöffentlichen Raums, für die Dauer der Sitzung ...

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