Rz. 15

Die sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG sind meist konkret betriebsbezogen, sodass i. d. R. der Betriebsrat zuständig ist. Nur in Ausnahmefällen wird daher eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in Betracht kommen (BAG, Beschluss v. 18.10.1994, 1 ABR 17/94[1]). Nachfolgend einige Beispiele für die Zuständigkeitsverteilung zwischen Einzel- und Gesamtbetriebsrat im Bereich der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten.

 

Rz. 16

Führt die deutsche Arbeitgeberin konzernweit geltende Ethikrichtlinien, die zumindest teilweise der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen, deutschlandweit in ihren Betrieben ein, hat der Gesamtbetriebsrat das Mitbestimmungsrecht wahrzunehmen. Gerade wegen des zwingenden Charakters der Ethikrichtlinien für alle Betriebe und Arbeitnehmer kann nur eine unternehmenseinheitliche Regelung und keine Regelung auf Betriebsebene erfolgen (LAG Düsseldorf, Beschluss v. 14.11.2005, 10 TaBV 46/05[2]; BAG, Beschluss v. 22.7.2008, 1 ABR 40/07 für den Konzernbetriebsrat[3]).

 

Rz. 17

Errichtet der Arbeitgeber eine überbetriebliche Beschwerdestelle nach § 13 AGG, steht das Mitbestimmungsrecht beim Beschwerdeverfahren in Bezug auf die Einführung und Ausgestaltung des Verfahrens nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu (BAG, Beschluss v. 21.7.2009, 1 ABR 42/08[4]).

 

Rz. 18

Einführung einer unternehmenseinheitlichen Dienstbekleidung für Mitarbeiter einer Hotelkette, mit dem Zweck, den Gästen in den unterschiedlichen Hotels ein einheitliches Erscheinungsbild zu bieten und die sofortige Erkennbarkeit der Mitarbeiter zu gewährleisten, beinhaltet ein objektiv zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung, sodass der Gesamtbetriebsrat zuständig ist (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 8.10.2013, 7 TaBV 704/13). Entsprechendes gilt für die Regelung einer einheitlichen Dienstkleidung für das Bodenpersonal eines deutschlandweit tätigen Luftfahrtunternehmens im Hinblick auf die Erkennbarkeit der Mitarbeiter für die Kunden und die Abgrenzbarkeit zu anderen Unternehmen (BAG, Beschluss v. 17.1.2012,1 ABR 45/10[5]).

 

Rz. 19

Verlangt der Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 EFZG von seinen Arbeitnehmern die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch bei einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit von nicht mehr als 3 Tagen, steht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dem örtlichen Betriebsrat zu. Der Arbeitgeber kann die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG nicht dadurch begründen, dass er eine unternehmensweite Regelung der Anzeige- und Nachweispflichten im Krankheitsfall verlangt, da allein der Wille des Arbeitgebers zur Vereinheitlichung der Vorlagepflichten im Unternehmen die Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung nicht bedingt (LAG Köln, Beschluss v. 21.8.2013, 11 Ta 87/13[6]).

 

Rz. 20

Für Arbeitszeitfragen i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sind regelmäßig die Einzelbetriebsräte zuständig, da es um die Verteilung der betrieblichen Arbeitszeit geht. Fehlt es aber an einer zu verteilenden betrieblichen Arbeitszeit, so kommt eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in Betracht. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, eine Dienstleistung in betriebsübergreifend technisch-organisatorisch miteinander verbundenen Arbeitsabläufen zu erbringen. Bei einer derartigen Arbeitsorganisation erfassen die zu berücksichtigenden betrieblichen Belange zwingend mehrere Betriebsstätten, so dass eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung erforderlich wird (BAG, Beschluss v. 19.6.2012, 1 ABR 19/11[7]). Danach besteht eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für Schichtrahmenpläne. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung kann sich aus produktionstechnischen Gründen ergeben, etwa, wenn ohne einheitliche Regelung eine technisch untragbare Störung eintreten würde (BAG, Beschluss v. 23.9.1975, 1 ABR 122/73[8]). So kann für die Frage der Verlängerung der Ruhezeit der Arbeitnehmer zwischen 2 Diensten der Gesamtbetriebsrat zuständig sein, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsabläufe technisch organisatorisch so verknüpft hat, dass eine betriebsübergreifende Regelung der Ruhezeiten nicht nur wirtschaftlich sinnvoll und im Kosteninteresse vernünftig, sondern wegen der Vorgaben für die Dienstplangestaltung aus technisch-organisatorischen Gründen auch zwingend geboten ist (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 9.6.2015, 1 TaBV 4b/15[9]).

 

Rz. 21

Für die Einführung von Kurzarbeit sind grundsätzlich die einzelnen Betriebsräte zuständig[10], da hierfür die konkrete Beschäftigungslage im einzelnen Betrieb maßgeblich ist. Ausnahmsweise kann der Gesamtbetriebsrat hierfür zuständig sein, wenn mehrere Betriebe produktionstechnisch so eng miteinander verflochten sind, dass die Kurzarbeit in einem Betrieb notwendigerweise zu Produktionseinschränkungen in anderen Betriebe führt.[11]

 

Rz. 22

Regelungen über die Einzelheiten der Auszahlung der Arbeitsentgelte und eine Kontoführung...

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