1 Allgemeines

 

Rz. 1

Hat ein Unternehmen mehrere Betriebe, werden mitbestimmungspflichtige Entscheidungen häufig auf Unternehmensebene getroffen. Da auch die Arbeitnehmer einer wirksamen Interessenvertretung auf dieser Ebene bedürfen, sieht das Gesetz die Errichtung des Gesamtbetriebsrats als Repräsentationsorgan auf Unternehmensebene vor. Es dient der Koordinierung der Betriebsratstätigkeit und nimmt die Beteiligungsrechte auf Unternehmensebene wahr.

 

Rz. 2

Das Gesetz lässt bei der Frage der Errichtung des Gesamtbetriebsrats keinen Spielraum. Nach § 47 Abs. 1 BetrVG "ist ein Gesamtbetriebsrat zu wählen", wenn in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte bestehen. Aus dieser Formulierung folgt, dass ein Gesamtbetriebsrat zwingend gebildet werden muss, wenn die Voraussetzungen seiner Errichtung vorliegen (BAG, Beschluss v. 5.6.2002, 7 ABR 17/01[1]). Die Errichtung des Gesamtbetriebsrats ist eine Rechtspflicht der einzelnen Betriebsräte, es ist ohne Bedeutung, wenn einzelne Betriebsräte oder gar deren Mehrheit Einwendungen gegen seine Bildung haben. Die einzelnen Betriebsräte haben in diesem Fall kein Ermessen, ob ein Gesamtbetriebsrat errichtet wird oder nicht.[2] Kommen die Betriebsräte ihrer Verpflichtung zur Errichtung eines Gesamtbetriebsrats und zur Entsendung von Mitgliedern in den Gesamtbetriebsrat nicht nach, stellt dies in der Regel eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 23 Abs. 1 BetrVG dar.[3] Existiert trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 BetrVG kein Gesamtbetriebsrat, bestehen auch keine Mitbestimmungsrechte im Zuständigkeitsbereich eines Gesamtbetriebsrats. Es besteht insoweit auch keine Ersatzzuständigkeit der Einzelbetriebsräte[4], die entsprechenden Beteiligungsrechte nach § 50 Abs. 1 BetrVG können nicht wahrgenommen werden, sodass der Arbeitgeber insoweit nicht der Zustimmung einer Arbeitnehmervertretung bedarf.

 

Rz. 3

Der Gesamtbetriebsrat ist eine Dauereinrichtung ohne Amtszeit. Zwar können die Mitglieder wechseln oder vollständig ausgetauscht werden. Doch der Gesamtbetriebsrat als Gremium endet nur, wenn die Voraussetzungen für seine Errichtung entfallen, also z. B. wenn im Unternehmen nur noch ein Betrieb besteht (BAG, Beschluss v. 5.6.2002, 7 ABR 17/01[5]; BAG, Beschluss v. 16.3.2005, 7 ABR 37/04[6] BAG, Beschluss v. 7.4.2004, 7 ABR 41/03;[7] BAG, Beschluss v. 16.3.2005, 7 ABR 37/04[8]).Ein nur kurzfristiger, vorübergehender Wegfall der Errichtungsvoraussetzungen hat auf den Bestand des Gesamtbetriebsrats nach Auffassung des BAG (BAG, Beschluss v. 15.10.2014, 7 ABR 53/12[9] allerdings keinen Einfluss. Fällt der zweite im Unternehmen vorhandene Betriebrat nur für kurze Zeit weg, so lässt dies den Gesamtbetriebsrat nicht in Wegfall geraten. Damit wird dem Interesse Rechnung getragen, die Handlungsfähigkeit des Gesamtbetriebsrats in den Fällen zu erhalten, in denen sich etwa die Wahl der zur Errichtung eines Gesamtbetriebsrats erforderlichen Betriebsräte verzögert. Das Amt des Gesamtbetriebsrats endet erst zu dem Zeitpunkt, in dem davon auszugehen ist, dass die Errichtungsvoraussetzungen in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht mehr bestehen werden.

Die von den Betriebsräten nach jeder Neuwahl erneut vorzunehmende Entsendung von Mitgliedern in den Gesamtbetriebsrat ändert nichts an dessen kontinuierlichem Fortbestand.[10] Auch Abberufungen, Amtsniederlegungen einzelner Mitglieder oder der Auflösungsbeschluss eines der Betriebsräte haben keine Auswirkungen auf den Bestand des Gesamtbetriebsrats.[11] Der Gesamtbetriebsrat kann auch nicht als Gremium zurücktreten.[12]

[1] NZA 2003, 336.
[2] Fitting, 30. Aufl. 2020, § 47 BetrVG Rz. 4.
[4] Franzen, NZA 2008, 250, 253.
[5] NZA 2003, 336.
[6] NZA 2005, 1069, 1071,

;

[7] NZA 2005, 311, 313.
[8] NZA 2005, 1069; Fitting, 30. Aufl. 2020 § 47 BetrVG Rz. 26.
[9] NZA 2015,1014; so auch Fitting, 30. Aufl. 2020 § 47 BetrVG Rz. 27; a. A. GK-BetrVG/Kreutz/Franzen Rn. 50.
[11] ErfK/Koch, 20. Aufl. 2020, § 47 BetrVG Rz. 11.
[12] Fitting, 30. Aufl. 2020, § 49 Rz. 7.

2 Voraussetzung für die Bildung eines Gesamtbetriebsrats (Abs. 1)

 

Rz. 4

§ 47 Abs. 1 BetrVG bestimmt, dass ein Gesamtbetriebsrat zu errichten ist, wenn in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte bestehen. Erforderlich ist demnach das Bestehen von mindestens zwei Betrieben und mindestens 2 Betriebsräten.

 

Rz. 5

Wird ein Gesamtbetriebsrat errichtet, ohne dass die Voraussetzungen für seine Errichtung vorliegen, ist er rechtlich nicht existent, sein Handeln ist unbeachtlich.[1] Daher sind die mit ihm abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen und Sozialpläne unwirksam.[2] In diesem Fall kann auch keine wirksame Bestellung von Mitgliedern eines Wirtschaftsausschusses erfolgen.[3] Ein rechtlich nicht existenter Gesamtbetriebsrat kann im Beschlussverfahren keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition geltend machen, da ihm die Antragsbefugnis fehlt (BAG, Beschluss. v. 25.2.2020, 1 ABR 40/18[4]).

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