2.2.1 Außerordentliche Betriebsversammlungen

 

Rz. 10

Außerordentliche Betriebsversammlungen, die auf Initiative des Betriebsrats oder eines Viertels der wahlberechtigten Arbeitnehmer einberufen werden, können gemäß § 44 Abs. 2 BetrVG demgegenüber nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber während der Arbeitszeit stattfinden. Die Einwilligung steht im Ermessen des Arbeitgebers. Sie kann nicht erzwungen werden.[1]

 
Hinweis

Fehlt es an der Einwilligung des Arbeitgebers, kann sich der Arbeitgeber gegen eine gleichwohl während der Arbeitszeit anberaumte außerordentliche Betriebsversammlung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zur Wehr setzen und gegebenenfalls eine einstweilige Verfügung erwirken.[2]

 

Rz. 11

Überdies verhält sich der Betriebsrat grob pflichtwidrig, wenn er ohne Einverständnis des Arbeitgebers während der betrieblichen Arbeitszeit eine außerordentliche Betriebsversammlung einberuft, sodass er gegebenenfalls nach § 23 Abs. 1 BetrVG aufgelöst werden kann.[3]

 
Hinweis

Nehmen Arbeitnehmer an einer außerordentlichen Betriebsversammlung, die ohne Zustimmung des Arbeitgebers während der Arbeitszeit stattfindet, teil und hat der Arbeitgeber ihnen dies ausdrücklich und eindeutig verboten, so rechtfertigt dies eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.[4]

Weist der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht auf die Unzulässigkeit der Teilnahme hin, so können sich die Arbeitnehmer im Regelfall auf die Rechtmäßigkeit der Einladung zur Betriebsversammlung verlassen und scheidet daher eine außerordentliche Kündigung regelmäßig aus (BAG, Urteil v. 14.10.1960, 1 AZR 254/58[5]).

 

Rz. 12

Auch in § 44 Abs. 2 BetrVG ist unter Arbeitszeit die betriebliche Arbeitszeit zu verstehen. Ist demnach eine Betriebsversammlung nach § 44 Abs. 2 BetrVG nicht außerhalb der persönlichen Arbeitszeit aller teilnehmenden Arbeitnehmer möglich, weil es sich etwa um einen 24-Stunden-Betrieb handelt, so muss die Betriebsversammlung auf einen Zeitpunkt gelegt werden, an dem möglichst wenige Arbeitnehmer ihren Dienst zu leisten haben. Die Arbeitnehmer, bei denen die Versammlung in ihre persönliche Arbeitszeit fällt, können dann ebenfalls an der Betriebsversammlung teilnehmen. Sie haben aber keinen Entgeltanspruch.[6]

[2] ArbG Eberswalde, Beschluss v. 14.11.1995, 1 BV Ga 4/95, AuA 1996, 68; GK-Weber, § 44 BetrVG Rz. 27; Fitting, § 44 BetrVG Rz. 20a.
[3] Fitting, § 44 BetrVG Rz. 20a.
[4] A. A. Fitting, § 44 BetrVG Rz. 22.
[5] DB 1961, 172.
[6] GK-Weber, § 44 BetrVG Rz. 49.

2.2.2 Regelmäßige und zusätzliche Betriebsversammlungen

 

Rz. 13

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG finden die regelmäßigen, zusätzlichen und die auf Wunsch des Arbeitgebers einberufenen Betriebsversammlungen sowie Wahlversammlungen nur dann nicht während der Arbeitszeit statt, wenn die Eigenart des Betriebs eine andere Regelung zwingend erfordert. Da § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine Schutzbestimmung zugunsten der Arbeitnehmer ist, ist die Anberaumung der Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig (ArbG Wuppertal, Beschluss v. 9.7.1996, 8 BVGa 12/96).

 

Rz. 14

Unter der Eigenart des Betriebs ist – wie im Rahmen von § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG – in erster Linie die organisatorisch-technische Besonderheit des konkreten Einzelbetriebs zu verstehen (BAG, Beschluss v. 9.3.1976, 1 ABR 74/74[1]; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 28.10.1996, 1 TaBV 38/96[2]). Es muss eine technisch untragbare Störung eines eingespielten Betriebsablaufs eintreten, die nur in diesem Betrieb oder nur in bestimmten Arten von Betrieben auftreten und zu unangemessen betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führen kann (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 28.10.1996, 1 TaBV 38/96[3]; ArbG Berlin, Beschluss v. 11.12.1972, 4 BV 2/72[4]).

 
Hinweis

Arbeitet ein Produktionsbetrieb in einer zeitlich straffen Just-in-Time-Organisation und sind mit seinen Kunden für die nicht termingerechte Herstellung der Ware hohe Vertragsstrafen vereinbart, die bei einer Betriebsversammlung während der Arbeitszeit verwirken, so handelt es sich nicht um eine organisatorisch-technische Besonderheit des Einzelbetriebs, sondern um bloße wirtschaftliche Zumutbarkeitserwägungen (ArbG Darmstadt, Beschluss v. 7.5.2009, 7 BVGa 13/09).

 

Rz. 15

Aus dem Wortlaut des Gesetzes, das ausdrücklich auf die Erfordernisse des Betriebs abstellt, wird deutlich, dass besondere Umstände gegeben sein müssen, die in der technischen Organisation des Betriebes begründet sind. Bloße wirtschaftliche Zumutbarkeitserwägungen zählen daher grundsätzlich nicht zu den zwingenden Erfordernissen (BAG, Beschluss v. 9.3.1976, 1 ABR 74/74[5]; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 28.10.1996, 1 TaBV 38/96[6]). Auch bloße Misshelligkeiten und Unbequemlichkeiten, die generell in dem Betrieb durch eine Betriebsversammlung während der Arbeitszeit entstehen, müssen vom Arbeitgeber grundsätzlich geduldet werden (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 28.10.1996, 1 TaBV 38/96[7]; ArbG Berlin, Beschluss v. 11.12.1972, 4 BV 2/72[8]). Insoweit muss daher in angemessenem R...

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