1 Allgemeines

 

Rz. 1

Der Sechste Teil des Betriebsverfassungsgesetzes enthält in den §§ 119 bis 121 Straf- und Bußgeldvorschriften.

Die Regelung des § 119 stellt die Behinderung oder rechtswidrige Beeinflussung der im BetrVG geregelten Wahlen, die Störung oder Behinderung der Tätigkeit der Betriebsverfassungsorgane und die Benachteiligung oder Begünstigung ihrer Mitglieder unter Strafe. Nicht vom Anwendungsbereich erfasst werden betriebsrats- und gremieninterne Wahlen, wie z. B. die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seiner Stellvertreter, die aus der Mitte des Betriebsrats erfolgt.[1]

Eine dem § 119 BetrVG vergleichbare Regelung war bereits in § 78 BetrVG 1952 enthalten. Mit dem BetrVerf-ReformG 2001 ist der durch die Strafvorschrift geschützte Personenkreis erweitert worden, und zwar u. a. um die Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie um die Auskunftsperson nach § 80 Abs. 2 BetrVG. Entsprechende Regelungen finden sich in § 34 SprAuG sowie in § 44 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 EBRG.

 

Rz. 2

Adressat der Regelung ist nicht nur, wie häufig angenommen wird, der Arbeitgeber (Unternehmer oder sein Stellvertreter), sondern jedermann.[2]  Danach können sich auch Arbeitnehmer, Betriebsangehörige, die nach § 5 Abs. 2 BetrVG nicht als Arbeitnehmer gelten (z. B. Geschäftsführer einer GmbH, Ehepartner des Unternehmers), leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG und jeder außenstehende Dritte nach dieser Vorschrift strafbar machen.

 

Rz. 3

Verstöße gegen § 119 BetrVG werden nur auf Antrag verfolgt; eine Strafverfolgung von Amts wegen scheidet aus.[3]  Wird ein Strafverfahren nach § 119 eingeleitet, schließt dies ein arbeitsgerichtliches Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG nicht aus. Vielmehr können beide Verfahren auch parallel laufen.

 

Rz. 4

Die Regelung des § 119 gehört als Teil des BetrVG zum Grundlagenwissen für Betriebsräte. Eine Betriebsratsschulung, die sich mit dieser Regelung befasst, kann daher als für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG angesehen werden, und zwar nicht erst dann, wenn der Arbeitgeber bereits versucht hat, Betriebsräte unter Verstoß gegen § 119 zu beeinflussen, sondern bereits ohne konkreten Anlass (LAG Köln, Beschluss vom 21.01.2008 – 14 TaBV 44/07).

[1] Vgl. dazu im Einzelnen § 26 BetrVG.
[2] Fitting, § 119 Rz. 1..
[3] Vgl. § 119 Abs. 2 BetrVG; siehe auch unten unter Rz. 14 und 15.

2 Schutz vor Wahlbehinderung oder unzulässiger Wahlbeeinflussung

 

Rz. 5

§ 119 Abs. 1 Ziff. 1 stellt zum einen die Behinderung der Wahl des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV), der Bordvertretung, des Seebetriebsrats oder einer Arbeitnehmervertretung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder § 5 BetrVG unter Strafe. Strafbar ist darüber hinaus nach dieser Vorschrift die Beeinflussung einer in Satz 1 genannten Wahl durch Androhen oder Zufügen von Nachteilen oder durch Gewähren oder Versprechen von Vorteilen. Die Vorschrift schützt also sowohl die Freiheit der Willensbetätigung der Wahlbeteiligten ebenso wie des Wählers (BGH, Urteil v. 13.9.2010, 1 StR 220/09). Es handelt sich in beiden Fällen um "Erfolgsdelikte": bei der ersten Alternative liegt der Erfolg im Eintritt einer konkreten Gefährdung, bei der zweiten in der Verursachung einer geänderten Kandidatur oder Stimmabgabe.

 

Rz. 6

Unter einer Behinderung der Wahl ist grundsätzlich jedes Tun oder pflichtwidrige Unterlassen zu verstehen, das zu einem ungewöhnlichen Ablauf des Wahlvorgangs führt.[1]  Hierzu gehört z. B. die Verhinderung der Durchführung einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands durch unwahre Angaben (Bay OLG, Urteil v. 29.7.1980, 4 St. 173/80[2]) sowie die bloße Behinderung der Betriebsversammlung.[3]

 

Rz. 7

Eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch Zufügen oder Androhen von Nachteilen oder durch Gewähren oder Versprechen von Vorteilen liegt vor, wenn der Nachteil oder Vorteil bei objektiver Betrachtung geeignet ist, die freie Willensbildung auszuschließen oder zu erschweren.[4]  Dabei ist nicht erforderlich, dass die Wahl tatsächlich beeinflusst wurde. Es reicht für die Strafbarkeit nach § 119 Abs. 1 Ziff. 1 vielmehr aus, wenn die freie Willensbildung infolge der Einflussnahme ausgeschlossen oder erschwert worden ist.[5] So verstößt das Inaussichtstellen beruflicher oder finanzieller Vorteile für einzelne Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern, die dadurch zur Kandidatur bewogen werden sollen, auch dann gegen § 119 Abs. 1. Ziff. 1 BetrVG, wenn der Kandidat gar nicht gewählt wird (BGH, Urteil v. 13.9.2010, 1 StR 220/09).

 

Rz. 8

Eine Wahlbeeinflussung, die ohne Androhung oder Zufügen von Nachteilen und ohne Gewähren oder Versprechen von Vorteilen erfolgt, ist zulässig. Zulässig ist auch eine Wahlpropaganda zugunsten eines bestimmten Kandidaten (LAG Köln, Beschluss v. 15.10.1993, 13 TaBV 36/93[6]). Gleiches gilt für eine Wahlpropaganda, die zum Ziel hat, dass überhaupt kein Betriebsrat gewählt wird.[7]  Den Arbeitgeber trifft allerdings eine Neutralitätspflicht, er darf daher keine Wahlpropaganda finanzieren, will er nicht Gefahr laufen, sich nach § 119 Abs. 1 Zif...

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