1 Vorbemerkung

 

Rz. 1

§ 109 BetrVG regelt die Zuständigkeit der Einigungsstelle zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Wirtschaftsausschuss und Unternehmer über dessen Auskunftspflicht nach § 106 BetrVG. Die Einigungsstelle entscheidet dabei über Rechtsfragen. Überprüft wird die Auskunftspflicht des Unternehmers im konkreten Fall (BAG, Beschluss v. 17.9.1991, 1 ABR 74/90[1]). Dagegen ist die grundsätzliche Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt eine wirtschaftliche Angelegenheit i. S. d. § 106 Abs. 3 BetrVG darstellt, von den Gerichten für Arbeitssachen zu klären (BAG, Beschluss v. 17.9.1991, 1 ABR 74/90[2]). Sinn des Einigungsstellenverfahrens ist es, eine der internsten Angelegenheiten der Unternehmensleitung zunächst einer unternehmensinternen Regelung zuzuführen.[3]

[1] BB 1991, 2527-2528 (L1).
[2] NZA 1992, 418-419 (LT1).

2 Zuständigkeit der Einigungsstelle

 

Rz. 2

Das in § 109 BetrVG normierte Konfliktlösungsverfahren ist für Auseinandersetzungen über Grund, Umfang und Modalitäten der Unterrichtungs- und Vorlagepflicht des Unternehmers nach § 106 Abs. 2 BetrVG vorgesehen. Die Vorschrift begründet eine gesetzliche Primärzuständigkeit der Einigungsstelle; bei Konflikten über ein Auskunftsverlangen des Wirtschaftsausschusses soll das Einigungsstellenverfahren als vorgeschaltetes Verfahren den Betriebsparteien die Möglichkeit einer raschen Einigung auf betrieblicher Ebene eröffnen.[1]

Ein Vorgehen nach § 109 BetrVG setzt voraus, dass der Unternehmer die Auskunft auf ein ausdrückliches Verlangen des Wirtschaftsausschusses[2] oder des nach § 107 Abs. 3 BetrVG gebildeten Ausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder nur ungenügend erteilt oder keine oder unvollständige Unterlagen vorgelegt hat. Durch das konkrete Auskunftsverlangen wird der Zuständigkeitsrahmen der Einigungsstelle abgedeckt. Gleiches gilt, wenn der Unternehmer die Auskunft unter Berufung auf ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis verweigert oder Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt hat (BAG, Beschluss v. 11.7.2000, 1 ABR 43/99[3]).

 

Rz. 3

Die Einigungsstelle entscheidet nach § 109 BetrVG über die Auskunftspflicht des Arbeitgebers im konkreten Fall. Voraussetzung ist ein ausdrückliches, an den Arbeitgeber gerichtetes Verlangen des Wirtschaftsausschusses auf Auskunftserteilung über wirtschaftliche Fragen gemäß § 106 BetrVG, d. h. auf Erteilung einer konkret verlangten Auskunft.[4]

 
Hinweis

Nur ein Verlangen, das hinreichend bestimmt auf die Erteilung einer Auskunft, die Vorlage bestimmter Unterlagen, deren jeweilige Zeitpunkte oder deren sonstige Modalitäten gerichtet ist, vermag die Zuständigkeit der Einigungsstelle zu begründen. Ausschließlich auf der Grundlage konkreter Vorgaben kann die Einigungsstelle beurteilen, über welche Konflikte der Betriebsparteien – und damit welche Rechtsfragen – sie zu befinden hat.

Ein Antrag des Betriebsrats auf Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses unter Vorlage von Unterlagen" ist somit mangels Bestimmtheit abzuweisen, wenn nicht hinreichend konkret angegeben wird, über welche Gegenstände in der Einigungsstelle verhandelt werden soll (LAG Hamm, Beschluss v. 14.9.2009, 13 TaBV 74/09).

 

Rz. 4

Die Frage, ob ein Wirtschaftsausschuss für den gemeinsamen Betrieb zweier Unternehmen zu bestellen ist, oder bereits wirksam in der Vergangenheit bestellt worden ist, kann nicht im Rahmen eines Verfahrens nach § 109 BetrVG i. V. m. § 98 ArbGG geklärt werden. Der Streit über die Errichtung des Wirtschaftsausschusses bleibt dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2a ArbGG vorbehalten (LAG Niedersachsen, Beschluss v. 19.2.2013, 1 TaBV 155/12[5]).

 

Rz. 5

Die Einigungsstelle nach § 109 BetrVG ist offensichtlich unzuständig, wenn mangels konkretem Auskunftsverlangen nicht feststellbar ist, ob überhaupt eine Meinungsverschiedenheit über die Auskunftsverpflichtung gegeben ist (LAG Köln, Beschluss v. 2.3.2009, 2 TaBV 111/08).

[2] Richardi/Annuß, § 109 Rz. 11.
[3] BB 2001, 580; Fitting, § 109 Rz. 4; Richardi/Annuß, § 109 Rz. 6.
[4] Fitting, § 109 Rz. 6.
[5] AE 2013, 68 (Leitsatz).

3 Einleitung des Einigungsstellenverfahrens

 

Rz. 6

Zur Einleitung eines Verfahrens nach § 109 BetrVG bedarf es eines ausdrücklichen Verlangens auf Auskunftserteilung über wirtschaftliche Fragen gem. § 106 BetrVG, auf das der Unternehmer überhaupt nicht, unvollständig, verspätet oder ohne Vorlage der erforderlichen Unterlagen reagiert. Entgegen der bisherigen instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 24.11.2016, 4 TaBV 40/16; LAG Düsseldorf, Beschluss v. 26.2.2016, 4 TaBV 8/16) bedarf es keines Beschlusses des Wirtschaftsausschusses über sein an den Unternehmer gerichtetes Auskunftsverlangen. Denn für die Anrufung der Einigungsstelle kommt es auf die Willensbildung des (Gesamt-)Betriebsrats und nicht auf die des Wirtschaftsausschusses als dessen Hilfsorgan an.[1]

 

Rz. 7

Hat der Unternehmer nach Auffassung des Wirtschaftsausschusses seine Auskunftspflicht verlet...

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