1 Vorbemerkung

 

Rz. 1

§ 104 BetrVG regelt einen Sondertatbestand der Beteiligung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten. Nach dieser Vorschrift kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Entfernung (Entlassung oder Versetzung) betriebsstörender Arbeitnehmer verlangen. Andere konkrete personelle Maßnahmen, so etwa die Entziehung der Personalführungsfunktion, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber nicht verlangen.[1] Diese Vorschrift gilt für sämtliche Arbeitnehmer i. S. d. BetrVG, also nicht für leitende Angestellte i. S. d. § 5 Abs. 3, 4 BetrVG. Bezüglich dieser Personengruppe besteht lediglich ein Antragsrecht nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

[1] LAG Hamm, Beschluss v. 23.10.2009, TaBV 39/09.

2 Voraussetzungen für den Antrag

 

Rz. 2

Die Kündigung oder Versetzung eines Arbeitnehmers kann in 2 Fällen verlangt werden.

  1. Der Arbeitnehmer muss sich gesetzwidrig verhalten haben.

    Gesetzwidrig ist ein Verhalten, das gegen eine Rechtsvorschrift verstößt. Nicht notwendig ist, dass sie auf einem formellen Gesetz beruht. In Betracht kommen insb. Vorschriften des StGB, das AGG und Arbeitsschutzvorschriften, aber auch Tarifverträge, soweit sie normative Wirkung haben. Bloße Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten genügt nicht. Nicht notwendig ist, dass das gesetzwidrige Verhalten sich im Betrieb ereignet; es genügt, dass es sich auf die Zusammenarbeit im Betrieb auswirkt. Gesetzwidriges Verhalten ist aber unerheblich, wenn es mit dem betrieblichen Geschehen in keinem Zusammenhang steht.[1]

 
Praxis-Beispiel

Beispiele:

Strafbare Handlungen, insbesondere Verleumdung, Beleidigung, Körperverletzung, Diebstahl an Kollegeneigentum, Nötigung, Sexualdelikte am Arbeitsplatz, Mobbing oder unsittliche Handlungen.

2. Der Arbeitnehmer muss durch grobe Verletzung der in § 75 BetrVG[2] enthaltenen Grundsätze den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört haben.
 

Rz. 3

Es muss eine grobe und ernstliche Störung des Betriebsfriedens vorliegen.[3]"Grob" ist die Verletzung, wenn andere Arbeitnehmer in besonders auffälliger Weise diskriminiert werden. Bloße Ungefälligkeit, verschlossenes Wesen, Unruhestiftung, kritische Äußerungen über den Betriebsrat und Ähnliches rechtfertigen ein Entlassungs- oder Versetzungsverlangen nicht.[4] Eine grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze ist vor allem dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer andere Arbeitnehmer in besonders auffälliger Weise diskriminiert. Dabei ist die Stellung im Betrieb von Bedeutung, also ob der Betreffende überhaupt zu einer diskriminierenden Behandlung anderer im Betrieb tätiger Personen in der Lage ist.[5]

 
Praxis-Beispiel

Beispiele:

Schikane gegen ältere oder behinderte Beschäftigte; Mobbing, Bossing; Diebstähle oder Tätlichkeiten unter Arbeitnehmern, sexuelle Belästigungen.

 

Rz. 4

Die ernstliche Störung des Betriebsfriedens i. S. d. § 104 Satz 1 BetrVG liegt nur dann vor, wenn das Verhalten eines Arbeitnehmers den Betriebsablauf bzw. das betriebliche Miteinander so erheblich negativ beeinträchtigt, dass schutzwürdige Interessen anderer Arbeitnehmer oder des Arbeitgebers eine Entfernung des Arbeitnehmers unbedingt erfordern. Die Störung muss ernstlich, d. h. objektiv ernst zu nehmen sein. Eine Störung des Betriebsfriedens i. S. d. § 104 Satz 1 BetrVG kann nur dann angenommen werden, wenn das friedliche Zusammenarbeiten der Arbeitnehmer untereinander oder zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmerschaft gestört ist und die Störung von einer gewissen Dauer und von nachhaltiger Wirkung für eine größere Anzahl von Arbeitnehmern ist. Eine bloße Gefährdung des Betriebsfriedens reicht nicht aus, vielmehr muss der Betriebsfrieden so erheblich beeinträchtigt sein, dass die Zusammenarbeit der Betriebspartner tatsächlich erschüttert ist; zumindest muss eine erhebliche Beunruhigung unter der Belegschaft entstanden sein.[6]

 

Rz. 5

Als Beispiel ("insbesondere") nennt das Gesetz rassistische und fremdenfeindliche Betätigungen. Hierunter sind vor allem ausländerfeindliche Äußerungen gegenüber bestimmten Mitarbeitern, Hetze gegen ausländische Kollegen oder allgemein gegen Ausländer, Aussiedler oder Asylbewerber oder sonstiges rassistisches Verhalten[7] zu verstehen. Diese Betätigungen müssen einen Bezug zum Betrieb haben, der z. B. gegeben ist, wenn dort ausländische Kolleginnen oder Kollegen oder Angehörige von Minderheiten beschäftigt sind.[8]

 

Rz. 6

Der Verhinderung fremdenfeindlicher Übergriffe dient es, dass

  • Betriebs- und Abteilungsversammlungen Fragen der Integration der im Betrieb beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer nach § 45 Satz 1 BetrVG behandeln können,
  • die Jugend- und Auszubildendenvertretung die Integration ausländischer, von ihr zu vertretender Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern hat und entsprechende Maßnahmen nach § 70 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG beim Betriebsrat beantragen kann,
  • der Betriebsrat die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern hat, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb beim Arbeitgeber nac...

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