Rz. 15

§ 102 BetrVG gilt nur in Betrieben, in denen ein Betriebsrat gebildet ist, der funktionsfähig ist (vgl. zur "betriebsratslosen" Zeit bei einer Neuwahl oder dem Ablauf der Amtszeit die Erläuterungen zu § 21 BetrVG, Rz. 7–11).

 

Rz. 16

Nach herrschender Meinung (BAG, Urteil v. 23.09.1984, 7 AZR 266/82[1]; LAG Düsseldorf, Urteil v. 24.6.2009, 12 Sa 336/09[2]) beginnt die Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG erst mit Konstituierung des Betriebsrats; bis zu diesem Zeitpunkt ist der Betriebsrat funktionsunfähig. Ohne Vorsitzenden und Vertreter fehlt es an einem Absender und Adressat von Erklärungen gem. § 26 Abs. 2 BetrVG. Die Obliegenheit, das Gremium als Ganzes zu unterrichten, stößt auf unüberwindliche rechtliche und praktische Probleme. Der h. M. ist insoweit zuzustimmen. Richtig ist zwar, dass nach dieser Auffassung eine "Schutzlücke" zwischen Amtsbeginn (§ 21 Satz 2 BetrVG) und konstituierender Sitzung (§ 29 Abs. 1 BetrVG) entstehen kann. Jedoch ist diese Lücke, die sich insbesondere im Fall der erstmaligen Wahl eines Betriebsrats auftun kann, gesetzesimmanent, weil der Arbeitgeber bzw. die zu seiner Vertretung berechtigten Personen nach § 26 Abs. 2 BetrVG auf Seiten des Betriebsrats ebenfalls zur Vertretung berufene Personen vorfinden sollen. Auch kann die Konstituierung der Bekanntgabe des Wahlergebnisses unmittelbar nachfolgen, da diese in der Sphäre des Betriebsrats bzw. Wahlvorstandes liegt, die rechtzeitig für einen funktionsfähigen Betriebsrat sorgen können.

 

Rz. 17

Wird ein von zwei Unternehmen geführter Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst, weil eines der beiden Unternehmen seine betriebliche Tätigkeit einstellt, führt dies grundsätzlich nicht zur Beendigung der Amtszeit des für den Gemeinschaftsbetrieb gewählten Betriebsrats. Dieser nimmt für die verbleibenden Arbeitnehmer des anderen Unternehmens weiterhin die ihm nach dem Betriebsverfassungsgesetz zustehenden Rechte und Pflichten wahr. Das gilt auch, wenn nur noch eines von 7 Betriebsratsmitgliedern im Amt ist (BAG, Urteil v. 19.11.2003, 7 AZR 11/03[3]).

 

Rz. 18

Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist auch dann nicht entbehrlich, wenn der Betrieb zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits stillgelegt ist.[4]

 

Rz. 18a

Verlangt der Betriebsrat nach § 104 BetrVG die Entlassung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers und entschließt sich der Arbeitgeber, dem Wunsch des Betriebsrats zu entsprechen, ist dessen weitere Beteiligung nach § 102 BetrVG nicht mehr erforderlich. Das Entlassungsverlangen enthält bereits die Zustimmung des Betriebsrats zu der es umsetzenden Kündigung. Der Arbeitgeber führt nur aus, was der Betriebsrat selbst von ihm verlangt oder sogar in einem Beschlussverfahren nach § 104 Satz 2 BetrVG erstritten hat (BAG, Urteil v. 28.3.2017, 2 AZR 551/16[5]).

[1] NZA 1984, 52.
[2] A. A. DKK/Kittner/Bacher, § 102, Rz. 30.
[3] NZA 2004, 435.
[4] Vgl. Rz. 30.
[5] NZA 2017, 985.

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