1 Vorbemerkung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ermöglicht dem Arbeitgeber, angesichts des in zeitlicher Hinsicht nicht einschätzbaren Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG, personelle Maßnahmen vorläufig durchzuführen, sofern dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.

 

Rz. 2

Da § 100 BetrVG eine Spezialregelung zur vorläufigen Durchführung einer personellen Einzelmaßnahme darstellt, ist daneben eine Regelungsverfügung im einstweiligen Verfügungsverfahren gem. § 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 935 ff. ZPO weder auf Antrag des Arbeitgebers noch des Betriebsrats möglich.[1]

 

Rz. 3

§ 100 BetrVG hat praktische Bedeutung nur für vorläufige Einstellungen und Versetzungen. Es sind kaum Fälle denkbar, die Ein- oder Umgruppierungen als unaufschiebbar erscheinen lassen. Auch das BAG äußert Bedenken, ob § 100 BetrVG auf Ein- und Umgruppierungen anwendbar ist.[2] Sind sich Arbeitgeber und Betriebsrat über eine Ein- oder Umgruppierung nicht einig, kann der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer ohne Eingruppierung ein – frei zu vereinbarendes – bestimmtes Gehalt unter Vorbehalt der Rückforderung oder Zusage einer Nachzahlung zahlen. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer aber auch mitteilen, dass er in eine bestimmte Vergütungsgruppe eingruppiert werde, diese Eingruppierung aber noch nicht endgültig sei, sondern von der Zustimmung des Betriebsrats bzw. vom Ausgang eines Zustimmungsersetzungsverfahrens abhänge.[3]

[1] Fitting, § 100 Rz. 1; DKKW/Bachner, § 100 Rz. 1; Richardi/Thüsing, § 100 Rz. 1.
[3] Vgl. auch Fitting, § 99 Rz. 5; Richardi/Thüsing, § 99 Rz. 4.

2 Vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme

2.1 Zeitpunkt

 

Rz. 4

Die vorläufige Durchführung von Einstellungen und Versetzungen ist in zeitlicher Hinsicht nur möglich, wenn

  • die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG noch nicht abgelaufen ist oder
  • der Betriebsrat die Zustimmung bereits ausdrücklich verweigert hat oder
  • der Betriebsrat überhaupt noch nicht unterrichtet worden ist.
 

Rz. 5

Eine vorläufige Maßnahme kann nicht mehr durchgeführt werden, wenn der Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung gem. § 99 BetrVG von den Arbeitsgerichten bereits rechtskräftig abgelehnt worden ist.[1] Steht nämlich fest, dass eine (endgültige) Maßnahme nicht durchgeführt werden darf, ist auch für eine vorläufige Maßnahme kein Raum mehr.

 
Hinweis

Ist seit der Unterrichtung des Betriebsrats die Wochenfrist ohne Äußerung des Betriebsrats verstrichen, kann eine Einstellung oder Versetzung bereits endgültig vorgenommen werden, da die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt (§ 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG).

[1] Fitting, § 100 Rz. 3; Richardi/Thüsing, § 100 Rz. 5-7.

2.2 Voraussetzungen

 

Rz. 6

Eine vorläufige Einstellung oder Versetzung kann nur vorgenommen werden, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn es mit einem ordnungsgemäßen betrieblichen Ablauf nicht vereinbar ist, dass ein Arbeitsplatz für längere nicht vorhersehbare Zeit unbesetzt bleibt[1], wenn also ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber im Interesse des Unternehmens alsbald handeln müsste und die geplante Maßnahme keinen Aufschub verträgt.[2] Ein allgemeines Interesse, dass der Arbeitnehmer die Arbeit zum vereinbarten Zeitpunkt aufnimmt, genügt nicht.[3]

 

Beispiele für dringende sachliche Gründe:

  • Einstellung eines im Betrieb nicht vorhandenen EDV-Spezialisten
  • Ersetzung eines fristlos gekündigten Arbeitnehmers
  • (befristete) Einstellung von Aushilfskräften, da der Betriebsrat die Genehmigung von (objektiv) notwendigen Überstunden verweigert
  • sofortige Versetzung in die Lohnbuchhaltung, um die monatliche Lohnabrechnung sicherzustellen (BAG, Beschluss v. 7.11.1977, 1 ABR 55/77)
 

Rz. 7

Unerheblich ist grundsätzlich, ob den Arbeitgeber ein Organisationsverschulden an der betrieblichen Notwendigkeit der Einstellung oder Versetzung trifft, d. h. ob die Notwendigkeit der vorläufigen Durchführung bei "besserer" Organisation und Planung des Arbeitgebers zu vermeiden gewesen wäre.[4] Dem Arbeitgeber steht es frei, wie er seinen Betrieb organisiert und wie er seine Personalplanung durchführt. Es ist weder Aufgabe des Betriebsrats noch des Arbeitsgerichts zu überprüfen, ob sich der Arbeitgeber durch ungenügende Personalplanung selbst in Zugzwang setzt.[5] Zudem ist es objektiv kaum feststellbar, wann im Einzelfall eine "genügende" oder "sorgfältige" Personalplanung vorliegt. Ein sachlicher Grund liegt nur dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber bewusst eine Lage herbeiführt, die eine vorläufige Einstellung oder Versetzung notwendig macht.[6] Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn der Arbeitgeber trotz längerer Kenntnis der Notwendigkeit einer Versetzung den Betriebsrat nicht mindestens eine Woche vor Durchführung der geplanten Maßnahme informiert.[7]

 

Rz. 8

Maßgebend sind allein die betrieblichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme; entfallen die Voraussetzungen später, braucht die Einstellung oder Versetzu...

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