Rz. 25

Nach § 174 Abs. 2 SGB IX kann die Zustimmung zur Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen ab dem Zeitpunkt beantragt werden, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Für die Fristeinhaltung ist der Eingang des Antrags beim Integrationsamt maßgebend.

 

Rz. 26

Das Integrationsamt wiederum hat seine Entscheidung innerhalb von 2 Wochen ab dem Tag, an dem der Antrag eingegangen ist, zu treffen. Anderenfalls gilt die Zustimmung nach § 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt. Die bloße Ankündigung des Integrationsamts, es wolle die Frist verstreichen lassen, ohne eine Entscheidung zu treffen, ist noch keine Zustimmung; vielmehr muss der Arbeitgeber dann den Ablauf der Frist abwarten.[1] Auch die Fiktion der Zustimmung ist ein Verwaltungsakt und als solcher anfechtbar.[2] Für die Anfechtung gilt mangels Zustellung nach §§ 70 Abs. 2, 58 VwGO eine Jahresfrist. Der Ermessensspielraum der Behörde ist eingeschränkt.[3] Nach § 174 Abs. 4 SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht in Zusammenhang mit der Behinderung steht.[4] Maßgeblich ist dabei die Beeinträchtigung, die der Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zugrunde liegt.[5] Liegen jedoch Umstände vor, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf das Integrationsamt auch hier nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.[6]

 

Rz. 27

Zur Fristwahrung nach § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX genügt es, wenn das Integrationsamt die Zustimmungsentscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX zur Post gegeben hat.[7] Der Arbeitgeber darf also nicht auf die Zustimmungsfiktion vertrauen, nur weil er nicht innerhalb der Frist Nachricht vom Amt erhalten hat. Die Kündigung kann erst ausgesprochen werden, wenn die Zustimmung seitens des Integrationsamts erteilt wurde oder nach §§ 171 Abs. 5 Satz 2, 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt gilt. In diesem Zusammenhang besteht eine Erkundigungsobliegenheit des Arbeitgebers gegenüber dem Integrationsamt, ob dieses innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX eine Entscheidung getroffen hat.[8]

 
Hinweis

Aufgrund der Tatsache, dass es zur Fristwahrung nach § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX genügt, wenn das Integrationsamt die Zustimmungsentscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX zur Post gegeben hat, ist dem Arbeitgeber zu raten, am letzten Tag der Frist bei dem zuständigen Integrationsamt nachzufragen, ob eine Entscheidung getroffen und an ihn abgesandt wurde oder nicht. Hat das Integrationsamt keine Entscheidung getroffen, beginnt die Kündigungserklärungsfrist des § 174 Abs. 5 SGB IX mit Wirksamwerden der Fiktion des § 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX, auch wenn dem Arbeitgeber seitens des Amtes mitgeteilt wird, dass ihm noch ein förmlicher Bescheid über die Zustimmung zugestellt wird.[9]

 

Rz. 28

Dem Arbeitgeber ist es regelmäßig nicht möglich, bis zum Ablauf der 2-wöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB bei einem schwerbehinderten Menschen auch noch die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen. Diesem Umstand trägt § 174 Abs. 5 SGB IX Rechnung, wonach die Kündigung auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgen kann, wenn sie unverzüglich (§ 121 BGB) nach Erteilung der Zustimmung erklärt wird. Unter Abwendung seiner älteren Rechtsprechung[10] hat das BAG in jüngeren Entscheidungen judiziert, die Regelung des § 174 Abs. 5 SGB IX sei nicht teleologisch so zu reduzieren, dass sie nur dann anwendbar sei, wenn der Arbeitgeber die nach § 174 Abs. 1 i.V.m § 168 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB beantragt habe[11]. Der Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ist hierbei Anwendungsvoraussetzung des § 174 Abs. 5 SGB IX; die Norm ist nicht als "Ausdehnung" der Frist oder als ein "Aufschieben" ihres Ablaufs zu verstehen.[12] Dies stützt das BAG unter anderem darauf, dass die Frist des § 174 Abs. 2 Satz 2 SGB IX der des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB nachgebildet ist, weshalb sie zusammen mit der Anforderung nach § 174 Abs. 5 SGB IX als Ersatz für die Einhaltung des § 626 Abs. 2 BGB konzipiert wurde.[13] Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Zustimmung i. S. v. § 174 Abs. 5 SGB IX erteilt, "sobald eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX getroffen und der antragstellende Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt oder wenn eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nicht getroffen worden ist". Mit Ablauf der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX gilt die Zustimmung damit als erteilt. Der Begriff "unverzüglich" wird dabei i. S. d. § 121 Abs. 1 BGB definiert.[14]"Unverzüglich" heißt hier i. d. R., dass die Kündigung am ersten folgenden Arbeitstag auszusprechen ist.[15] Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Schwerbehinderten scheitert nicht daran, dass das Kündigungsschreiben v...

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