Rz. 17

Die Zustimmung zur Kündigung ist nach § 170 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vom Arbeitgeber bei dem für den Sitz des Betriebs oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt schriftlich (§ 126 BGB), also mit Originalunterschrift, oder elektronisch zu beantragen. Was für die Einhaltung der elektronischen Form erforderlich ist, ist streitig. Das LAG Hessen jedenfalls nimmt wegen des Zwecks, Rechtssicherheit zu schaffen an, dass die Textform nach § 126b BGB gemeint sei, sodass eine E-Mail ausreiche.[1] Eine Antragsfrist besteht nur in den Fällen der außerordentlichen Kündigung, vgl. § 174 Abs. 2 SGB IX. Das Integrationsamt hält entsprechende Vordrucke bereit, die es sich empfiehlt auszufüllen, um eine Unvollständigkeit der Angaben zu vermeiden. Auch die Folgen der Verletzung der Schriftform werden kontrovers diskutiert.[2] Überwiegende Übereinstimmung herrscht jedoch in folgenden Punkten: Der Arbeitgeber kann den Mangel nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X durch nachträglichen formgerechten Antrag heilen; lässt der schwerbehinderte Arbeitnehmer die Widerspruchsfrist verstreichen, wird die Zustimmung rechtswirksam, da sie wegen des fehlenden schriftlichen Antrags nicht nichtig, sondern nur anfechtbar ist.[3] Das Integrationsamt braucht bei Verletzung der Schriftform nicht tätig zu werden. Es hat den Arbeitgeber aber dann zu unterrichten, dass der Antrag nicht den gesetzlichen Formvorschriften entspricht, § 13 SGB I.

 
Hinweis

Um eine Unvollständigkeit der Angaben an das Integrationsamt zu vermeiden, sollten für die Angaben die vom zuständigen Integrationsamt zur Verfügung gestellten Vordrucke genutzt werden. Eine Verletzung der Schriftform kann nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X durch einen nachträglichen formgerechten Antrag geheilt werden; das Integrationsamt hat den Arbeitgeber über den Formmangel zu unterrichten, § 13 SGB I.

 

Rz. 18

Das Integrationsamt holt eine Stellungnahme des Betriebs- oder Personalrats und der Schwerbehindertenvertretung ein. Der Betriebsrat ist auch dort zu beteiligen, wo er nach § 5 Abs. 3 BetrVG nicht zuständig wäre.[4] Eine vom Arbeitgeber bereits nach § 102 BetrVG durchgeführte Anhörung des Betriebsrats entbindet das Integrationsamt nicht von dessen Pflicht, die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 170 Abs. 2 SGB IX einzuholen. Die Anhörung nach § 102 BetrVG ersetzt nicht die Stellungnahme nach § 170 Abs. 2 SGB IX.[5] Das Integrationsamt hat den schwerbehinderten Menschen zudem zu hören. Aus der unterschiedlichen Formulierung des Gesetzgebers in § 170 Abs. 2 SGB IX – "Stellungnahme" und "hören" – wird geschlossen, dass der Begriff "hören" hier weiter zu verstehen ist als eine bloße Stellungnahme, mit der Folge, dass dem schwerbehinderten Menschen Gelegenheit gegeben werden muss, die Angelegenheit mündlich zu erörtern.[6] Dabei müssen ihm alle Informationen zur Verfügung gestellt werden, die für die Entscheidung des Integrationsamts mitbestimmend sind.[7]

 
Hinweis

Eine Begründung der Kündigung ist vom Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben, aber empfehlenswert, da sie verfahrensbeschleunigend ist.

 

Rz. 19

Das Integrationsamt wirkt in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hin, § 170 Abs. 3 SGB IX.

 

Rz. 20

Sowohl die Anhörungsvorschriften als auch die Vorschrift über die Hinwirkung auf eine gütliche Einigung sind zwingend. Werden sie nicht eingehalten, ist die Entscheidung des Integrationsamts im Widerspruchsverfahren und Verwaltungsrechtsweg anfechtbar.

 

Rz. 21

Seit dem 1.1.2017 ist bei der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen nach § 178 Abs. 2 Satz 3 (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX a. F.) außerdem zwingend die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung notwendig. Eine ohne diese Anhörung erfolgte Kündigung ist unwirksam. Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung "unverzüglich und umfassend" zu unterrichten. Hier wird man sich wohl an der Legaldefinition der Unverzüglichkeit des § 121 Abs. 1 BGB orientieren müssen. Eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung "ohne schuldhaftes Zögern" bedeutet, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung anhören muss, sobald er seinen Kündigungswillen gebildet hat. Die Zustimmung des Integrationsamts kann aber auch schon vor der Anhörung beantragt und der Betriebs- bzw. Personalrat vorher beteiligt werden.[8] Denn die Entscheidung zur Kündigung wird tatsächlich erst mit ihrem Ausspruch getroffen; eine Vorwegnahme oder Festlegung der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses findet nicht bereits mit einer Beteiligung von Betriebs- bzw. Personalrat oder dem Antrag an das Integrationsamt statt.[9] Eine umfassende Unterrichtung ist dann gegeben, wenn die Schwerbehindertenvertretung hierdurch die Möglichkeit erlangt, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen – es sind die Grundsätze für die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG heranzuziehen, eine Reduzierung auf "schwerbehindertenspezifische Kündigungsbezüge" ist insoweit nicht ausreichend.[10]

[1] LAG Hessen, Urteil v. 10.9...

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