Rz. 9

Ausnahmen vom Sonderkündigungsschutz sind in § 173 SGB IX abschließend geregelt. Die diesbezügliche Beweislast liegt beim Arbeitgeber. Die wichtigste Ausnahmeregelung enthält § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, wonach die Zustimmung des Integrationsamts nicht erforderlich ist, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als 6 Monate besteht. § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX ist auch einschlägig, wenn die Kündigung spätestens am letzten Tag dieser Frist zugeht, und auch, wenn das Arbeitsverhältnis erst zu einem nach Fristablauf liegenden Zeitpunkt beendet wird.[1]

 
Hinweis

Auch wenn ein Arbeitsverhältnis noch nicht länger als 6 Monate besteht, ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer schwerbehinderten Person nach § 173 Abs. 4 SGB IX dem Integrationsamt innerhalb von 4 Tagen anzuzeigen.

 

Rz. 10

§ 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX orientiert sich an § 1 Abs. 1 KSchG. Zur Berechnung des 6-Monats-Zeitraums können daher die zu § 1 Abs. 1 KSchG entwickelten Grundsätze herangezogen werden.[2] Maßgeblich ist demnach allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses, sodass tatsächliche Unterbrechungen wie z. B. durch Krankheit, Urlaub, Arbeitskampf bei der Berechnung der 6-Monats-Frist unberücksichtigt bleiben.[3] Ferner muss das Arbeitsverhältnis während der 6 Monate mit demselben Arbeitgeber bestanden haben. Werden bei diesem mehrere Arbeitsverhältnisse unmittelbar nacheinander im zeitlichen Zusammenhang abgewickelt, sind sie für die Berechnung zusammenzuzählen.[4] Liegen Unterbrechungen vor, so ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine kurzfristige Unterbrechung unschädlich ist, insbesondere wenn zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, wofür kurzfristige Unterbrechungen von einigen Tagen üblicherweise sprechen. Längere rechtliche Unterbrechungen von mehreren Wochen oder Monaten werden dagegen eine neue Wartezeit beginnen lassen.[5] Die Dauer der Unterbrechung ist dagegen nach dem Zweck des § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX (ausreichende Zeit der Erprobung) nicht auf den 6-Monats-Zeitraum anzurechnen.[6]

 

Rz. 11

Der Sonderkündigungsschutz gilt nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX weiterhin nicht für schwerbehinderte Menschen, die auf Stellen des § 156 Abs. 2 Nr. 2-5 SGB IX beschäftigt werden, bei Arbeitnehmern mit vollendeten 58 Lebensjahren unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2a, b SGB IX und nach § 173 Abs. 2 SGB IX auch nicht bei Entlassungen aus Witterungsgründen, sofern die Wiedereinstellung der schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist.

 

Rz. 12

Bei einem Betriebs(-teil)übergang nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist die bei dem bisherigen Betriebsinhaber zurückgelegte Wartezeit – da das Arbeitsverhältnis in dem Zustand auf den Erwerber übergeht, wie es zurzeit des Betriebs(-teil)übergangs bestanden hat – bei der Bestimmung des 6-Monats-Zeitraums zu berücksichtigen.[7]

Gleiches gilt bei einer vertraglichen Vereinbarung über die Anrechnung der bisher zurückgelegten Dauer des Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Arbeitgeber.[8]

[1] BAG, Urteil v. 25.2.1981, 7 AZR 25/79, AP SchwbG § 17 Nr. 2.
[2] S. Gabrys, § 1 KSchG Rz. 219.
[3] Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben/Neumann, SGB IX, § 173 SGB IX Rz. 8.
[4] BAG, Urteil v. 23.9.1976, 2 AZR 309/75, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 1.
[5] Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben/Neumann, SGB IX, § 173 SGB IX Rz. 8 m. w. N.
[7] BAG, Urteil v. 27.10.1994, 2 AZR 309/75, AP Einigungsvertrag Art. 13 Nr. 10, NZA 1995, 735.
[8] Hauck/Noftz/Griebeling, Stand: 2023, § 90 SGB IX Rz. 4; APS/Vossen, § 173 SGB IX Rz. 5.

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