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Die Regelung zur frühzeitigen Arbeitsuche bezweckt, die Eingliederung von Arbeitsuchenden zu beschleunigen, um damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist insbesondere die Vorschrift des § 38 Abs. 1 SGB III zu beachten, die eine Meldeobliegenheit für Personen regelt[1], deren Ausbildungs- und Arbeitsverhältnis endet. Diese Vorschrift will nicht nur eine zügige Arbeitsvermittlung sicherstellen, sondern darüber hinaus gewährleisten, dass nach § 38 Abs. 2 SGB III unverzüglich nach der Arbeitsuchendmeldung neben den Vermittlungsaktivitäten auch Berufsberatung durchgeführt wird. Dies ermöglicht, neben einer beruflichen Standortbestimmung, die gegebenenfalls frühzeitige Einleitung erforderlicher Maßnahmen, um den Eintritt von Arbeitslosigkeit möglichst zu verhindern.[2]

Seit dem 1.1.2022 wird die Bundesagentur für Arbeit darüber hinaus in § 38 Abs. 1a SGB III verpflichtet, mit der arbeitsuchend gemeldeten Person unverzüglich nach der Arbeitsuchendmeldung ein erstes Beratungs- und Vermittlungsgespräch zu führen. Dieses kann persönlich oder bei Einvernehmen zwischen Agentur für Arbeit und der arbeitsuchenden Person auch per Videotelefonie erfolgen.[3]

Allerdings handelt es sich bei § 38 Abs. 1a SGB III um eine Sollvorschrift, sodass in Einzelfällen von einem solchen Beratungs- und Vermittlungsgespräch abgesehen werden kann. Dies betrifft etwa Fälle, bei denen das zeitnahe Ende der Arbeitslosigkeit bereits feststeht, weil etwa eine anderweitige Arbeitsaufnahme oder der Übergang in den Ruhestand unmittelbar bevorsteht.[4]

Die Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III betrifft eine sozialrechtliche Obliegenheit[5], mit der vorrangig arbeitsmarktpolitische und sozialversicherungsrechtliche Zwecke verfolgt werden[6]. Gleichwohl leitet die Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen aus der Vorschrift Anhaltspunkte für die Frage ab, inwieweit sich ein Arbeitnehmer im Rahmen des Annahmeverzuges Vergütungen anrechnen lassen muss, deren Erzielung er böswillig unterlassen hat.[7] Das BAG geht zwar davon aus, dass § 38 Abs. 1 SGB III nur eine rein sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht enthält, mit der vorrangig arbeitsmarktpolitische und sozialversicherungsrechtliche Zwecke verfolgt werden. Für die bei der Frage des böswilligen Unterlassens vorzunehmende Gesamtabwägung soll die Meldepflicht aber gleichwohl Beachtung finden, "weil dem Arbeitnehmer arbeitsrechtlich das zugemutet werden kann, was ihm das Gesetz ohnehin abverlangt."[8] Dabei scheint das BAG davon auszugehen, dass bei Verletzung der Meldepflicht der Arbeitnehmer vorsätzlich im Sinne des § 11 Nr. 2 KSchG verhindert, dass ihm eine zumutbare Arbeit überhaupt angeboten wird.[9] Allerdings führt nicht jeder Verstoß gegen die Meldepflicht zur Annahme eines böswilligen Unterlassens, sondern bildet lediglich einen Anknüpfungspunkt für die Konkretisierung des böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes. Damit verweist die Rechtsprechung die Arbeitsvertragsparteien auf eine Einzelfallentscheidung, wenn der Arbeitnehmer, der Annahmeverzugslohnansprüche geltend macht, die Meldepflicht missachtet hat. Zugunsten des Arbeitnehmers muss bei der Gesamtabwägung auch berücksichtigt werden, ob der Arbeitgeber seiner sozialrechtlichen Verpflichtung aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nachgekommen ist und aus welchen Gründen der Arbeitgeber dies gegebenenfalls unterlassen hat.[10] Unabhängig davon, ob man der Regelung auch diese arbeitsrechtliche Bedeutung zumessen kann, müsste aber in solchen Fällen nachweisbar sein, dass der Arbeitnehmer einen weiteren Verdienst erzielt hätte, wenn er sich nur rechtzeitig im Sinne des § 38 Abs. 1 SGB III bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet hätte.[11] Dieses schien die Rechtsprechung zumindest teilweise ohne konkrete Feststellung im Einzelfall unterstellen zu wollen.[12] Das BAG hat indes inzwischen aber die Anforderungen an die Darlegungs-und Beweislast in diesem Punkt näher konkretisiert. Wenn also die Verletzung der Meldepflicht im Rahmen des böswilligen Unterlassens Berücksichtigung finden soll, muss grundsätzlich durch den Arbeitgeber dargelegt werden, ob die Agentur für Arbeit für den Zeitraum des Annahmeverzugs zumutbare Vermittlungsangebote unterbreitet hätte, ob anschließend eine Bewerbung des Arbeitnehmers auf diese Vermittlungsangebote erfolgreich gewesen wäre sowie welchen Verdienst der Arbeitnehmer im Rahmen der angenommenen Beschäftigungsmöglichkeit ab welchem Zeitpunkt hätte erzielen können.[13] Auch wenn damit im Rahmen des böswilligen Unterlassens grundsätzlich der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt, sieht das BAG aber gleichwohl eine abgestufte Darlegungslast, sofern der Arbeitgeber Vermittlungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer vorgetragen hat. Dann ist es zunächst Sache des Arbeitnehmers, zu Vermittlungsmöglichkeiten und -chancen so konkret wie möglich un...

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