Rz. 15

Kriterium der Arbeitnehmereigenschaft bleibt nach § 611a Abs. 1 Satz 1 die persönliche Abhängigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten vom Dienstberechtigten. Die Ausfüllung des Begriffs kann an die umfangreiche Rechtsprechung des BAG anknüpfen.[1] In leichter Akzentverschiebung definiert sie den Arbeitnehmer auch als denjenigen Mitarbeiter, der seine Dienstleistung "im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt".[2] Insoweit enthalte § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB – jetzt § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB – ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbstständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbstständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthalte diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrags vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal dies vor Inkrafttreten von § 611a BGB die einzige Norm darstellte, die Kriterien dafür enthielt.

Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und der Fremdbestimmung sind eng miteinander verknüpft und überschneiden sich teilweise; eine weisungsgebundene Tätigkeit ist regelmäßig auch fremdbestimmt.[3] Allerdings ist die Weisungsbindung das engere, den Kern des Vertragstypus kennzeichnende Kriterium; nur wenn jedwede Weisungsgebundenheit fehlt, liegt regelmäßig kein Arbeitsverhältnis vor.[4] Dieses Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen.[5]

Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben.[6] Allerdings misst das BAG der durch die Vertragsparteien gewählten Bezeichnung und damit ihrer Entscheidung für einen bestimmten Vertragstypus in jüngerer Vergangenheit jedenfalls bei Tätigkeiten, die typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden können, im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung Indizwirkung bei.[7]

In § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB wird jedoch klargestellt, dass dies nur für den Fall gilt, dass die tatsächliche Durchführung zeigt, dass es sich entgegen der vertraglichen Bezeichnung um ein Arbeitsverhältnis handelt. Für den umgekehrten Fall – dem Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem der tatsächlichen Durchführung nach Selbstständigen – gilt die Regel nicht. Hier muss sich der Arbeitgeber an dem Vereinbarten festhalten lassen, sodass der materiell Selbstständige in den Genuss der Schutzvorschriften für Arbeitnehmer kommt. Dies entspricht auch dem Zweck des Gesetzes, der missbräuchlichen Gestaltung von Verträgen, die Arbeitnehmern ihre Rechte vorenthalten, entgegenzuwirken.[8]

Nach der Rechtsprechung des BAG sind damit vor allem 3 Merkmale mögliche Indizien der persönlichen Abhängigkeit:

- die Weisungsgebundenheit in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht,

- die organisatorische Abhängigkeit für die Erbringung der Arbeitsleistung

- und – wenn auch weniger deutlich – die Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung. Die dadurch vermittelte Fremdbestimmung muss über die eines freien Dienstvertrags hinausgehen. Entscheidend ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Das Merkmal ist also ein relatives, vergleichendes Kriterium.[9]

 

Rz. 16

Bei der Frage, in welchem Maße der Mitarbeiter persönlich abhängig ist, sei vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu berücksichtigen.[10] Denn abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien ließen sich nicht aufstellen.

Eine Anzahl von Tätigkeiten kann sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden.[11]

Umgekehrt gibt es Tätigkeiten, die für andere regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses kann also auch aus Art oder Organisation der zu verrichtenden Tätigkeiten folgen. Das BAG hat diesem Gedanken in mehreren Entscheidungen maßgebliche Bedeutung beigemessen, etwa für Orchestermusiker[12], für Lehrkräfte, die an allgemeinbildenden Schulen und in schulischen Lehrgängen unterrichten[13], für Musikschullehrer[14], für (studentische) Hilfspfleger im Krankenhaus[15] und für die Tätigkeit von Mitarbeitern fremdsprachlicher Dienste von Rundfunkanstalten mit routinemäßig anfallender Tätigkeit als Sprecher, Aufnahmeleiter und Übersetzer[16].

Zeitliche Vorgaben und die Verpflichtung, bestimmte Termine für die E...

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