Rz. 39

Der Antrag auf nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage ist in 2facher Hinsicht fristgebunden. Zum einen ist der Antrag nur innerhalb von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig (§ 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG); zum anderen kann ein Antrag 6 Monate nach Ablauf der Klagefrist überhaupt nicht mehr gestellt werden. § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG enthält insoweit eine absolute Frist (näher Rz. 44). Versäumt der Arbeitnehmer eine der beiden Fristen, so gibt es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand[1]; ein Antrag auf nachträgliche Zulassung ist als unzulässig zu verwerfen.

 

Rz. 40

Die 2-wöchige Antragsfrist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG) läuft ab dem Zeitpunkt, in dem das Hindernis, das einer rechtzeitigen Klageerhebung entgegenstand, objektiv behoben wurde.

Maßgeblich ist auch hier ein subjektiver Beurteilungsmaßstab[2]: Die Antragsfrist beginnt spätestens, sobald der Arbeitnehmer weiß, dass das Hindernis weggefallen ist. Sie kann allerdings auch schon ab einem früheren Zeitpunkt laufen, wenn das Hindernis tatsächlich behoben wurde und der Arbeitnehmer dies unter Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können. Dies gilt auch hinsichtlich der versäumten Klagefrist selbst: Die Antragsfrist läuft, sobald der Arbeitnehmer bei gehöriger Sorgfalt erkennen muss, dass eine Klagefrist versäumt wurde und die nachträgliche Zulassung innerhalb einer bestimmten Frist zu beantragen ist.[3] Entscheidend ist das Bewusstsein über die versäumte Frist selbst, nicht über ihre Ursache.[4] Wenn nach dem Eintritt der Fristversäumung dem Arbeitnehmer tatsächliche Umstände vorliegen, die eine positive Kenntnis vermitteln oder bei ihm zumindest Zweifel aufkommen lassen, kann das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden.[5]

Ein vom Prozessbevollmächtigten zu vertretendes Versäumnis der Antragsfrist wird dem Arbeitnehmer nach h. M. wie eigenes Verschulden zugerechnet[6]; der Gesetzgeber hat zuletzt auf eine Regelung dieser umstrittenen Frage verzichtet.

 
Hinweis

Lässt sich die Einhaltung der Antragsfrist nicht feststellen, da z. B. unklar bleibt, wann der Arbeitnehmer vom verspäteten Eingang seiner Kündigungsschutzklage erfahren hat, ist der Antrag auf nachträgliche Zulassung als unzulässig zu verwerfen.[7]

 

Rz. 41

Das Hindernis kann bereits vor Ablauf der Klagefrist nach § 4 KSchG behoben sein; in diesen Fällen kommt eine nachträgliche Zulassung nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer innerhalb dieser 3-Wochen-Frist objektiv keine Klage mehr einreichen konnte.

 

Rz. 42

Im Übrigen handelt es sich um eine prozessuale Frist; sie wird unterbrochen, wenn das Verfahren aufgrund richterlicher Anordnung ruht und beginnt bei Wiederaufnahme des Verfahrens von Neuem zu laufen (§ 249 ZPO).[8]

 

Rz. 43

Der Antrag auf nachträgliche Zulassung ist grds. mit der Kündigungsschutzklage zu verbinden. Der Arbeitnehmer kann jedoch auch zunächst nur den Zulassungsantrag einreichen und erst später die Kündigungsschutzklage erheben, solange dies innerhalb der 2-wöchigen Antragsfrist geschieht. Der Arbeitnehmer kann eine Kündigungsschutzklage auch erst im Zuge einer Anschlussberufung in ein zweitinstanzliches Verfahren einbringen. Allerdings kann diese Anschließung aufgrund eines Rückzugs der Berufung seitens des Arbeitgebers ihre Wirkung verlieren (§ 524 Abs. 4 ZPO). Der Arbeitnehmer kann so nur dann eine weitere Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht bezüglich derselben Kündigung in analoger Anwendung der in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bestimmten Frist zulässig einreichen, wenn der Arbeitnehmer die neue Klage innerhalb von 2 Wochen ab der Kenntnis vom Wirkungsverlust anhängig macht.[9]

 

Rz. 44

Die 6-monatige Ausschlussfrist (§ 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG) läuft ab dem Zeitpunkt, in dem die (versäumte) Klagefrist endet. Nach ihrem Ablauf ist eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht mehr möglich; ein gleichwohl gestellter Zulassungsantrag ist als unzulässig zu verwerfen.[10] Die Regelung schafft einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse an materieller Gerechtigkeit und dem Interesse an Rechtssicherheit.[11]

Eine Ausnahme kommt aufgrund des Anspruchs des Klägers auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG nur in Betracht, wenn die Ursache des Fristversäumnisses allein in der Sphäre des Gerichts liegt.[12]

 

Rz. 45

Für die Berechnung der Fristen nach § 5 Abs. 3 KSchG gelten die allgemeinen Bestimmungen der §§ 187 ff. BGB.[13] Der Tag, an dem das Hindernis für die Klageerhebung wegfällt, wird folglich nicht mitgerechnet: Die Antragsfrist läuft nach 2 Wochen mit dem Tag ab, der dem Tag entspricht, an dem das Hindernis behoben wurde.[14] Entsprechendes gilt für den Ablauf der 6-monatigen Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG.[15]

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitnehmer erhält am 1.4. ein Kündigungsschreiben und fällt noch am gleichen Tag in ein Koma. Er versäumt schuldlos die Klagefrist, die am 22.4. um 24 Uhr endet.

Am 1.5. erwacht der Arbeitnehmer aus dem Koma.

Die 2-wöchige Ant...

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