Rz. 31

Die Anwendung des § 4 Satz 1 KSchG darf zwingende gesetzliche Wertungsentscheidungen nicht unterlaufen. Eine Kündigung gegenüber einem geschäftsunfähigen Arbeitnehmer wird gem. § 131 Abs. 1 BGB erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Erst mit Zugang der Kündigung beim gesetzlichen Vertreter beginnt die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG zu laufen. Hierfür reicht die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters von der Kündigung nicht aus. Vielmehr muss erkennbar sein, dass die Kündigung den gesetzlichen Vertreter erreichen sollte (BAG, Urteil v. 28.10.2010, 2 AZR 794/09[1]). Ob das Kündigungsschreiben hierfür an den gesetzlichen Vertreter adressiert sein muss, hat das BAG offengelassen. Im Fall der Kündigung eines minderjährigen Auszubildenden, der noch bei seinen Eltern wohnte und über keinen eigenen Briefkasten verfügte, hat das BAG aber den Adresszusatz "gesetzlich vertreten durch" ausreichen lassen (BAG, Urteil v. 8.12.2011, 6 AZR 354/10[2]).

 

Rz. 32

Ähnlich ist die Rechtslage nach § 131 Abs. 2 BGB bei der Kündigung gegenüber einem beschränkt geschäftsfähigen Arbeitnehmer. Die Kündigung bringt dem minderjährigen Arbeitnehmer, der mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine vertraglichen Vergütungsansprüche für die Zukunft verliert, rechtliche Nachteile. Die Kündigung wird daher grundsätzlich erst mit Zugang beim gesetzlichen Vertreter des Arbeitnehmers wirksam. Vielfach wird der gesetzliche Vertreter aber dem Abschluss des Arbeitsvertrags zugestimmt haben. Wenn hierin im Einzelfall eine Ermächtigung nach § 113 BGB liegt, ist der Zugang der Kündigung beim minderjährigen Arbeitnehmer für den Beginn der 3-Wochen-Frist maßgeblich (BAG, Urteil v. 13.2.2008, 2 AZR 864/06[3]).

 

Rz. 33

Kündigungen durch den geschäftsunfähigen Arbeitgeber sind gem. § 105 BGB unwirksam. Dagegen gilt § 111 BGB, wenn der Arbeitgeber minderjährig und daher in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn sie mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, also mit dessen vorheriger Zustimmung nach § 183 BGB, ausgesprochen wird. Ist die Kündigung wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit des Arbeitgebers unwirksam, wird diese Unwirksamkeit auch nicht durch Fristablauf gem. §§ 4 Satz 1, 7 KSchG geheilt.[4]

[1] NZA 2011 S. 340, 342.
[2] NZA 2012 S. 495, 497.
[3] NZA 2008 S. 1055 (Os. 7).
[4] Ausführlich zur Geschäftsfähigkeit der Parteien des Arbeitsverhältnisses Raab, RdA 2004, S. 321, 323.

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